Liebe ist kein Beinbruch
Zumindest für den Moment.
Marcus und Kendall zogen ihn beiseite. „Was sollte das denn, bitte schön?“
„Wie können wir erwarten, dass diese Frauen bleiben und uns dabei helfen, Sweetness aufzubauen, wenn sie das große Ganze nicht verstehen? Sie wissen nicht, was wir schon getan haben undwas noch kommt. Wir müssen alle zusammenholen, Aufklärungsarbeit leisten und für unsere Sache werben, um sie auf unsere Seite zu ziehen– so wie wir auch die Kommunikationsfirma überzeugt haben, einen Mobilfunkmasten zu installieren, und die staatliche Gartenverwaltung, unseren Mulch zu kaufen.“
„Einen Biogarten anzulegen steht ehrlich gesagt ziemlich weit unten auf unserer Liste“, erinnerte Kendall ihn.
„Ich wusste nicht einmal, dass das überhaupt auf der Liste steht“, warf Marcus ein.
„Wir haben viele zusätzliche helfende Hände“, erwiderte Porter. Er wies auf die Frauen, die Schlange standen, um etwas zu essen zu bekommen – die verärgerte, missmutig dreinblickende Gruppe war weit entfernt von der aufgeregten, lächelnden Schar von Frauen, die am Tag zuvor angekommen war. „Wir haben sie mit einer klugen Anzeige geködert, aber jetzt müssen wir sie mit der Vorstellung, dass Sweetness ihr Zuhause ist, endgültig einfangen und sie in die vor uns liegende Arbeit einbeziehen.“
Marcus schloss die Augen und rieb seine Nasenwurzel. In diesem Moment war Porter sich ziemlich sicher, dass sein Bruder selbst mit dem Gedanken spielte, den Berg zu verlassen. Schließlich öffnete Marcus die Augen wieder und seufzte. „Wer A sagt, muss auch B sagen.“
„Das ist die richtige Einstellung“, erwiderte Porter und klopfte ihm auf die Schulter.
Marcus’ Blick war finster. „Sorge du dafür, dass Dr. Salinger bei der Versammlung auftaucht.“
„Wir können ihren Input für die Ambulanz, die wir bauen wollen, gut gebrauchen“, sagte Kendall.
Porter sah an ihnen vorbei zu Rachel Hutchins, die ihr Frühstück zu einem Tisch in der Nähe trug und ihm einen Blick zuwarf, der sagen sollte, dass es ihr nichts ausmachen würde, wenn er sich zu ihr setzte. Sie schlug ihre langen sonnengebräunten Beine übereinander.
Marcus versetzte ihm einen kleinen Schlag aufs Ohr. „Porter, hörst du uns zu?“
Er wandte seinen Blick wieder seinen Brüdern zu. „Ich habe euch gehört. Gut, ich suche dann mal die kleine Frau Doktor.“
„Du könntest ruhig ein bisschen mehr Begeisterung zeigen“, bemerkte Kendall.
„Ja, was ist mit deinem Herzensbrechercharme passiert?“, fragte Marcus.
Porter seufzte. „Sie ist ziemlich unterkühlt.“
„Ist die Herausforderung für dich zu groß?“, wollte Kendall wissen.
Porters Pulsschlag erhöhte sich. „Nein. Ich schaffe das.“
Mürrisch verließ er den Speisesaal. Bisher war nichts gelaufen wie geplant.
Als er die Straße entlanghumpelte, warf er einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass der Van der Ärztin noch immer am Straßenrand stand, wo zwei Arbeiter ihn hingeschoben hatten. Er redete sich ein, dass er nur deshalb – und aus keinem anderen Grund – erleichtert war, weil seine Brüder ihn sich ganz sicher zur Brust genommen hätten, wenn die kleine Frau Doktor verschwunden wäre.
Nicht etwa, weil ihm einfiel, wie gut Nikki Salinger am Abend zuvor ausgesehen hatte, als sie ihm ihre Hilfe anbot, sich vor dem Regen in Sicherheit zu bringen. Das Bild von ihr, wie sie vor ihm stand – regennass und fast schimmernd in ihrer durchsichtigen Bluse -, hatte ihn noch lange wachgehalten, obwohl sein schmerzender Körper sich eigentlich nach Schlaf sehnte.
Es lief also nichts wie geplant.
Zum Glück hatte es irgendwann in der Nacht aufgehört, wie aus Eimern zu schütten. Die Morgensonne gewann an Kraft, doch der Regen war so stark gewesen, dass alles durchnässt war und dampfte. Marcus hatte ein paar Männer ange-wiesen, Sägespäne und Rollsplitt auf die schlammigen Wege zwischen der Pension und dem Dining House zu werfen.
Grüppchen von Frauen verließen die Pension und machten sich auf in Richtung Frühstück. „Stadtversammlung im Dining House heute Nachmittag“, sagte Porter, als er an ihnen vorbeikam. „Stadtversammlung. Alle sind herzlich willkommen.“
Als er die Pension betrat, hielt er Ausschau nach Nikki, aber er konnte sie nicht finden. Weder im Salon noch in der Küche oder im Waschraum, wo einige Frauen ihre mit Schlamm bespritzten Kleider zum Trocknen aufgehängt hatten. Er entschied sich, ihnen nicht zu sagen, dass sie besser
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