LIEBESTRAUM AN DER COTE D'AZUR
die Leute erhoben sich, um sie fröhlich zu begrüßen. Als der Letzte zu seinem Flugzeug marschierte, ging ein Raunen durch die Menge. Jane beschattete die Augen mit der Hand, um ihn sich genauer anzusehen, und erstarrte. Es war der Mann, dem sie in der einsamen Gasse begegnet war. Kein Zweifel. Mit seiner eindrucksvollen Größe und der kraftvollen Gestalt hob er sich von den anderen ab.
Auf sein Zeichen hin bestiegen die Männer ihre Maschinen. Sobald er im Cockpit verschwunden war, verspürte Jane einen wachsenden Druck im Magen. Während ein Flugzeug nach dem anderen abhob, verstärkte sich ihre Anspannung. Mit geballten Fäusten verfolgte sie die Flugschau, die nicht länger als fünfzehn Minuten dauerte. Ihr hingegen erschienes wie eine Ewigkeit, während er am Himmel seine Loopings drehte und Kunststücke vollführte, die die Menge mit offenem Mund und immer neuem Applaus verfolgte.
Als er endlich sicher am Boden gelandet war und sein Flugzeug verließ, brach frenetischer Beifall aus. Jane merkte erst jetzt, dass sie die Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen gedrückt hatte. Sie hatte Angst um ihn gehabt, und nun war sie auf ihn wütend, weil er sich einer solchen Gefahr ausgesetzt hatte.
Wütend – auf einen völlig Fremden!
Vielleicht hast du zu viel Sonne abbekommen, dachte sie, unfähig, den Blick von ihm loszureißen. Die Menge strömte zu den Flugzeugen. Da wandte er den Kopf. Mindestens fünfzig Meter trennten sie, und doch trafen sich ihre Blicke. Jane hatte plötzlich das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. Sie bekam weiche Knie, als hätte der Mann sie zärtlich berührt.
Sie fing sich und senkte den Blick, ehe sie sich wieder zu den beiden Amerikanern setzte. Die beiden schienen nicht bemerkt zu haben, was mit ihr los war, und plauderten munter über die waghalsigen Manöver der Piloten. Als sie vorschlugen, dem Museum einen Besuch abzustatten, schloss sie sich dankbar an.
Trotzdem konnte sie es nicht lassen, einen kurzen Blick über die Schulter zu wagen. Sie sah nur sein dunkles Haar, während er von einer Menschentraube umringt war. Meistens Frauen, wie sie feststellte.
Entschlossen wandte sie sich ab und betrat das Haus. Bis sie hier mit ihrem Rundgang fertig war, würden die Piloten sicher längst weg sein. Nach ein paar Minuten fühlte sie sich irgendwie ruhiger, ging zwischen den einzelnen Ausstellungsstücken umher und las die Informationen mit Interesse. Auf einem kleinen Schild in einer Ecke stand zu lesen, dass um die vorletzte Jahrhundertwende ein katastrophales Erdbeben die Insel erschüttert und die Bevölkerung von fast tausend Einwohnern auf wenige Hundert dezimiert hatte. Erst in den letzten Jahrzehnten war es für sie wieder bergauf gegangen.
Anscheinend hatte die Insel schon immer einer einzigen Familie gehört, die sich hier zu Zeiten der Kreuzfahrer niedergelassen hatte. Ihr Name war Salgado-Lézille, und sie stammte ursprünglich aus Spanien. Deswegen sehen die Häuser ein bisschen wie Haziendas aus, dachte Jane, und auch das Schloss hatte etwas Maurisches.
Sie hatte sich umgedreht, um der Menge zum Ausgang zu folgen, da wurde die helle Türöffnung kurz dunkel, weil jemand hereinkam.
Er war es. Jane spürte es, bevor sie ihn sah, und hielt den Atem an, als er den Blick suchend über die Menschen gleiten ließ. Dann entdeckte er sie. Ihr Herz fing an, wild zu klopfen.
Der Mann starrte sie an.
Sie wandte sich ab, um in einer der Vitrinen die Exponate zu betrachten, aber in der Scheibe spiegelte sich seine hochgewachsene Gestalt. Er rührte sich nicht. Sie zwang sich, um den Glaskasten herumzugehen, tat, als interessiere sie sich für die Ausstellungsstücke.
Trotzdem fühlte sie seinen Blick am ganzen Körper. Wie eine Liebkosung. Jane erbebte unwillkürlich.
Du brauchst nur an ihm vorbeizugehen, sagte sie sich. Nichts leichter als das.
Sie folgte der Gruppe, die zum Ausgang strebte, und versuchte, nicht auf den breitschultrigen Mann zu sehen, der an der Wand lehnte und sie nicht aus den Augen ließ.
Jetzt waren nur noch zwei Leute vor ihr. Warum waren sie stehen geblieben? Jane versuchte, ihren Ärger zu unterdrücken. Sie reagierte völlig übertrieben. Wahrscheinlich musste sie nur raus an die frische Luft. Ja, das war es. Hier drinnen herrschte eine Bruthitze.
Sie sah seine langen Beine, die er an den Knöcheln lässig übereinandergeschlagen hatte, und konzentrierte sich auf den beleibten Mann vor ihr. Vielleicht könnte sie so tun, als gehöre sie
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