Die Kinder des Teufels (German Edition)
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Prolog
Rom, in einer kalten Winternacht 1629
Das Ende nahte als Zeichen am Himmel.
Im Inneren des Kometen strahlte es hell und rein, wie man es von einem Himmelskörper seiner Größe und Pracht erwarten konnte. Er zog einen goldglitzernden Schweif hinter sich her, der einer funkenstiebenden Lunte glich.
Die meisten Bewohner Roms schliefen schon zu dieser späten Stunde. Ihnen entging eine Verheißung, wie sie die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland erfahren haben mussten. Der Stern von Bethlehem hatte ihnen den Weg zum langersehnten, neugeborenen Messias gewiesen – allerdings auch zu einer äußerst schäbigen Behausung, die sie so nicht erwartet hatten. Zweifel an der Himmelserscheinung waren ihnen nicht gekommen, zumindest war in den Schriften nichts überliefert. Für die Weisen stand fest: Dieser Stern ist einzigartig. Man musste ihm folgen, um zu erfahren, welches Geheimnis er offenbarte.
Auch dieser Stern über Rom war mit anderen Kometen, die in manchen Nächten zu Hunderten den Himmel kreuzten, nicht zu vergleichen. Sein hell strahlender, makelloser Körper war eingefasst von einem roten Ring, blutgleich und unheilverkündend. Wer auf sein pochendes Herz hörte, mochte in ihm das Auge des Teufels erkennen.
Pietro Gabani, Galileis aufmerksamer, aber auch schwer zu durchschauender Hausdiener, schlich im Schutze der Nacht durch die Straßen der Ewigen Stadt. Er wollte nicht erkannt werden und zog die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht. Er kannte Galileis sorgsam gehütetes Geheimnis – das Ergebnis seiner Berechnungen über die Laufbahnen der Himmelskörper. Es stellte die Sonne ins Zentrum des Universums und machte aus der Erde einen beliebigen Stern unter Myriaden von anderen.
Das war an sich nichts Neues. Giordano Bruno und Kopernikus hatten dies schon lange vorher behauptet, auch Aristarch, ein Himmelskundiger des antiken Griechenlands, wusste bereits um die Sonne als Zentrum des Universums. Nun aber machte sich einer der berühmtesten Astronomen der Welt daran, dies auch wissenschaftlich zu beweisen.
Papst Urban, ein Förderer der Wissenschaften, würde das nicht zulassen dürfen. Zum einen, weil die Kirche ihre Vorherrschaft über die Deutung der Schöpfung Gottes verlieren würde, und zum anderen, weil Urban zum Lügner gemacht würde. Die Erde musste im Zentrum allen Denkens und vor allem des Glaubens bleiben. Jeder hatte sich dem unterzuordnen, auch die Wissenschaften.
Giordano Bruno hatte für die Blasphemie bereits mit dem Leben bezahlt, Kopernikus’ Schriften waren geächtet. Und nun verabschiedete sich ausgerechnet noch Galilei, von Papst Urban gefördert und bewundert, aus dem Kreis der Gläubigen und riskierte, als Ketzer angeklagt zu werden.
Pietros Stiefelabsätze klackten verräterisch laut auf den blank gewetzten Steinen der Straßen hin zur Piazza del Sant’Uffizio, dem Sitz der Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition. Pietro wusste, dass Bruder Crispin – ein überzeugter Anhänger der wahren Lehre und ein nicht minder strenger Dominikaner – noch wach sein würde. Ein Fenster in der ersten Etage des dreigeschossigen Gebäudes war erleuchtet. Crispin würde wie immer über den Berichten seiner Kundschafter sitzen, um jedem Irrglauben frühzeitig auf die Spur zu kommen.
Pietro klopfte am Portal des mächtigen Hauses. Auch beim zweiten und dritten Mal wollte ihm niemand öffnen. Dabei sollte die Tür Tag und Nacht mit einer Wache besetzt sein. Kundschafter wie er kamen im Schutz der Nacht und nicht zu den täglichen Öffnungszeiten.
Schließlich hörte er ein Schlurfen und Schnauben jenseits der Tür. Der Durchguck öffnete sich, ein verschlafener Wachmann blickte ihn an.
«Was willst du?», knurrte er.
«Ich habe Nachricht für Bruder Crispin.»
«Und wer bist du?»
Diesem Niemand würde er sicherlich nicht seinen Namen verraten. Womöglich würde sein nächtliches Erscheinen im Wirtshaus diskutiert und Galilei zugetragen. Nein, das musste anders gelöst werden.
Pietro beugte sich vor und flüsterte:
«Sag Bruder Crispin, dass ich wichtige Nachricht für ihn habe. Es eilt.»
«Gib dich zu erkennen oder scher dich davon, bevor ich dich in den Kerker werfe.»
Missmutig schlug er ihm die Klappe vor der Nase zu.
Pietro machte ein paar Schritte zurück, blickte hinauf zum erleuchteten Fenster und wollte schon nach Crispin rufen, als er einen hellen Schein über dem Dach der Glaubenskongregation erkannte.
So etwas hatte
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