London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)
unterdrücken. Joss’ Beschreibung war durchaus zutreffend. Aber ich durfte sie auf keinen Fall ermutigen, sonst hätte ich zu Hause Cole und Cam gegen mich und auf der Arbeit Cam und Joss.
Mit einem indignierten »Pah!« wandte ich mich einem neuen Gast zu. Er war männlich. Groß. Ziemlich appetitlich anzusehen. Während ich ihm ein Bier zapfte, stellte ich ihm ein paar Fragen über seine Pläne für den Abend, lachte und flirtete gut fünf Minuten lang mit ihm, bis seine Freunde ihn zurück an ihren Tisch riefen. Ich gebe zu Protokoll, dass ich dabei ganz ohne mein gekünsteltes Kichern auskam.
Da Cam bereits unter Beweis gestellt hatte, dass er ziemlich besitzergreifend sein konnte, war es meine Absicht, ihn zu provozieren und so in seine Schranken zu weisen.
Ich drehte mich um und rechnete fest damit, ihn in Rage gebracht zu haben. Stattdessen lehnte er feixend am Tresen. »Netter Versuch.«
Mist. Ich war mit Mr Unberechenbar zusammen. Der Kerl reagierte aber auch nie so, wie man es von ihm erwartete. Wie um alles in der Welt sollte ich durch diese Gewässer steuern, wenn ich keine Ahnung hatte, wie tief sie waren?
Zu blöd aber auch.
Die Beziehung zu Cam gestaltete sich wirklich völlig anders als all meine bisherigen.
Seine nächsten Worte unterstrichen diese Erkenntnis nur noch.
»Lass uns doch mal übers Wochenende zu meinen Eltern fahren.«
Ich blinzelte ein paarmal, so überrumpelt war ich von diesem Vorschlag, dass ich sogar Joss ignorierte, die neben mir stand, die Ohren spitzte und dabei so tat, als würde sie den Serviettenspender reparieren.
»Was?«
»Am Samstag in drei Wochen habe ich frei, dann könnten wir rausfahren. Wir könnten über Nacht bleiben, du, Cole und ich.«
»Mensch, er will, dass du seine Eltern kennenlernst«, hauchte Joss. »Denk gründlich nach, bevor du ihm eine Antwort gibst. Seine Eltern. Jetzt schon.« Ihr schauderte bei dem Gedanken.
»Jo?«
Ich schaute in Cams erwartungsvolles Gesicht. »Ich kann Mum nicht allein lassen.«
»Ich könnte nach ihr sehen«, erbot sich Joss laut.
Mit offenem Mund starrte ich sie an. Dann zischte ich: »Hast du nicht gerade eben gesagt, ich soll es mir gründlich überlegen, ob ich seine Eltern jetzt schon kennenlernen will?«
»Stimmt. Aber du hast nicht gesagt, dass du es nicht willst. Du hast lediglich ein Hindernis genannt, und ich habe dir ein Angebot gemacht, um selbiges Hindernis aus dem Weg zu räumen.« Bevor sie sich wegdrehte, sah ich noch ihr verschlagenes Grinsen.
»Du bist einfach so was von daneben«, fauchte ich.
Cam schlug mit dem Geschirrtuch nach mir, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Und? Was ist?«
Ich lächelte schwach. »Klar. Warum nicht?«
O Mann.
Kapitel 18
N achdem herausgekommen war, dass Mum Cole geschlagen hatte, hielt ich es wochenlang nicht in ihrer Nähe aus und brachte es kaum über mich, mit ihr zu sprechen. Ich steckte bis zum Hals in einem schlammigen Pfuhl aus bitterer Wut und Schuldgefühlen. Doch die vielen Abende, die ich in Cams Gesellschaft verbrachte – sei es nun mit dem weltbesten Sex oder mit einem Buch auf dem Sofa, während er und Cole an ihrer gemeinsamen Graphic Novel arbeiteten –, veränderten mich. Meine Bitterkeit löste sich ganz allmählich auf.
Die Last, die ich mit mir herumtrug, war nicht verschwunden, aber sie war ein klein wenig leichter geworden. Meine Schritte waren jetzt federnder, ich atmete freier. Ich fühlte mich nicht länger alt und müde.
Ich fühlte mich jung. Lebendig. Verzaubert. Beinahe … zufrieden.
Außerdem bemühte ich mich, mir nicht mehr ganz so viele Sorgen um unsere finanzielle Situation zu machen. Obwohl es mir schwerfiel, erklärte ich mich bereit, einen Judokurs für Cole zu bezahlen, damit er mit Cam zusammen zum Training gehen konnte. Das bedeutete zwar, dass die beiden samstags vormittags – einer der wenigen Tage, an denen Cam und ich überhaupt Zeit allein verbringen konnten – unterwegs waren, doch das nahm ich gern in Kauf. Es mag schmalzig klingen, aber wenn ich sah, wie Cole zur Tür hereinkam und bei Cams Anblick strahlte, weil er glücklich war und einen Mann zum Reden hatte, dann schenkte mir das eine innere Zufriedenheit und Ruhe, wie ich sie noch nie empfunden hatte.
Cameron MacCabe, du Charmeur. Wegen dir steht mein ganzes Leben kopf.
Ich legte eine Hand auf das Paket, das ich soeben gepackt hatte, und grinste verträumt, während ich an die vergangene Nacht zurückdachte. Na ja, genau genommen an
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