Magic Park 1 - Das Geheimnis des Greifen (German Edition)
sicher, dass mir Mrs Novik die Story von dem Weißkopfseeadler, der es klauen wollte, nicht abgenommen hat.« Sie seufzte. »Aber von mir aus, lass uns nachsehen.«
Auf der zweiten Stufe der Treppe lag eine weitere Feder, also war der Greif definitiv hier hereingekommen. Zoe wollte sie eben aufheben, als sie hinter sich jemanden flöten hörte: »Hey, Blue.«
Zoe kannte diese Stimme nur zu gut. Sie schnappte sich die Feder, und während sie sich umdrehte, versteckte sie sie hinter ihrem Rücken.
Auf der Türschwelle zur Jugendbuchabteilung stand Jasmin Sterling mit einem Stapel Bücher im Arm. Ihr kurzärmeliger Angora-Pulli leuchtete auf ihrer gebräunten Haut und ihr langes dunkles Haar reichte bis zum Ansatz ihrer hautengen Jeans.
Wie immer ignorierte sie Zoe vollständig.
»Hey, Jasmin«, antwortete Blue. »Was liest’n du da?«
Sie warf einen Blick auf ihre Bücher. » Die Tribute von Panem . Jonathan meint, dass es mir bestimmt gefällt.«
Zoe liebte Die Tribute von Panem . Vor sechs Monaten hätten sie und Jasmin die Bücher noch gemeinsam gelesen und die Nächte durchgemacht, um über den Film zu quatschen und darüber zu streiten, wer süßer war – Peeta oder Gale. Aber wenn die Freundschaft mit der besten Freundin ruiniert war und man obendrein ganz allein Schuld hatte, dann durfte man sich nicht über all die Dinge beschweren, die man nicht mehr zusammen unternehmen konnte.
Die Stufen unter Zoes Sneakern bebten. Sie drückte sich an die Wand und machte Jasmins Dad Platz, der mit einem breiten Lächeln die Treppe heruntergejoggt kam. Durch das Lächeln wurden seine schneeweißen Zähne sichtbar, genau wie auf all den Anzeigen und Plakaten für seine Bürgermeisterkampagne. Hatte er die Feder hinter ihrem Rücken gesehen?
Eine Stufe über ihr blieb er jedoch stehen. »Zoe Kahn«, sagte er und zeigte mit zwei Fingern auf sie. Wenigstens hatte er sich ein »Dich haben wir ja schon lange nicht mehr gesehen!« verkniffen, womit er sie in den ersten drei Monaten immer begrüßt hatte.
»Wie geht’s deiner Schwester?«, fragte er stattdessen, was beinahe genauso peinlich war. »Gefällt es ihr auf dem College?« Eine Antwort wartete er allerdings nicht ab. »Jonathan liebt es. Wir bekommen ihn kaum noch ans Telefon zwischen seinen vielen Trainingsstunden und A-cappella-Proben. Zum Glück geht ihm alle paar Wochen die frische Wäsche aus und er kommt übers Wochenende heim.«
Zoe wusste nie genau, was sie zu Jasmins Eltern sagen sollte, also kam sie immer mit derselben Antwort. »Ist ja super, Mr Sterling.«
»Dad«, mischte Jasmin sich ein. »Das interessiert keinen.«
»Hallo, Blue. Auch schön, dich zu sehen.« Mr Sterling begutachtete Blue, als sei der eine neue Windkraftanlage, die es sich zu kaufen lohnen könnte. Mr Sterling besaß etwa die Hälfte des Lands rings um Xanadu. Und wenn Zoes Großeltern die Hektar rund um die Menagerie nicht aufgekauft hätten, dann würde ihm noch viel mehr gehören.
Zoe fragte sich, ob er wohl wusste, dass Jasmin in Blue verknallt war, und ob er ihn deshalb immer so komisch musterte. Aber er brauchte sich gar keine Sorgen zu machen. Nach der Ruby-Jonathan-Katastrophe hatte man Zoe und Blue strengstens verboten, mit irgendjemandem etwas anzufangen.
»Auf dem Weg nach oben?«, fragte Mr Sterling. »Ihr zwei könnt euch mit an unseren Tisch setzen.« Er nickte Jasmin zu, die Blue einen genervten Blick zuwarf, der in etwa sagte: Sind Eltern nicht voll peinlich?
»Äh … danke, nein«, antwortete Zoe. Solange Jasmin und ihr Dad in der Nähe waren, konnten sie sich nicht in Ruhe umsehen. Und wenn sie das Greifenjunge tatsächlich fanden, was dann? Sollten sie es heulend vor aller Augen aus der Bibliothek schleifen?
Was sie brauchten, war ein besserer Plan. Und eine Sterling-freie Zone.
»Sicher?«, hakte Mr Sterling nach. »Ich habe dort oben gerade eine höchst bemerkenswerte Feder gefunden. Ich habe ein Buch über Vögel in Wyoming, und ich werde gleich herausfinden, von welcher Art sie stammt.«
»Dad!«, jammerte Jasmin. »Das ist VOLL zum Einschlafen!«
Zoe hoffte inständig, dass man ihr nicht ansah, wie unwohl sie sich fühlte. Plötzlich summte ihr Handy. Dankbar für die Ablenkung ging sie in die Hocke, ließ die Feder in ihrem Rucksack verschwinden und kramte darin herum, bis sie das Telefon gefunden hatte – es war das alte von Ruby, die sich fürs College ein iPhone besorgt hatte.
Sie hatte eine SMS bekommen: Keine Panik
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