Maigret zögert
zu verstehen, dass ich ihn von einem Psychiater untersuchen lassen soll. Es ist also ganz normal...«
»Verzeihen Sie... Ich habe mich hinreißen lassen. Nein, ich habe keine Liebhaber gehabt, und ich werde auch nie welche haben.« »Besitzen Sie eine Waffe?«
Sie erhob sich, eilte in das Nebenzimmer, kam zurück und reichte ihm einen kleinen Revolver mit Perlmuttergriff.
»Vorsicht! Er ist geladen.«
»Haben Sie ihn schon lange?«
»Eine Freundin mit Sinn für schwarzen Humor schenkte ihn mir zur Hochzeit.«
»Sie haben keine Angst, dass die Kinder...«
»Sie kommen selten in mein Schlafzimmer, und als sie noch klein waren, befand sich diese Waffe in einer abgeschlossenen Schublade.«
»Und Ihre Gewehre?«
»Sie befinden sich in einer Schutzhülle in der Abstellkammer, wo wir unsere Koffer und Taschen und unsere Golfsäcke aufbewahren.«
»Spielt Ihr Mann Golf?«
»Ich habe versucht, ihn dafür zu interessieren, aber nach dem dritten Loch gerät er außer Atem...«
»Ist er oft krank?«
»Er war selten ernsthaft krank. Das Schlimmste, wenn ich mich recht erinnere, war eine Rippenfellentzündung. Andererseits ist er sehr anfällig für kleine Wehwehchen wie Husten, Grippe, Schnupfen usw.«
»Ruft er dann seinen Arzt?«
»Selbstverständlich.«
»Einen Ihrer Freunde?«
»Nein. Einen Arzt aus unserem Viertel, Doktor Martin. Er wohnt in der Rue du Cirque hinter uns.«
»Doktor Martin hat Sie nie beiseite genommen?«
»Nein, er nicht. Aber ich habe einmal an der Haustür auf ihn gewartet, um ihn zu fragen, ob mein Mann nicht ernsthaft erkrankt sei.« »Was hat er geantwortet?«
»Nein. Dass er zu den Männern gehört, die sehr alt werden können. Er zitierte mir den Fall Voltaires, der...«
»Ich kenne den Fall Voltaires... Er hat nie vorgeschlagen, einen Spezialisten hinzuzuziehen?«
»Nein. Nur...«
»Nur was?«
»Ach wozu! Sie werden meine Worte ja doch wieder falsch auslegen.«
»Versuchen Sie es trotzdem!«
»Ich merke an Ihrer Haltung, dass mein Mann einen ausgezeichneten Eindruck auf Sie gemacht hat. Ich habe das erwartet. Ich will nicht behaupten, dass er sich bewusst verstellt. Fremden gegenüber gibt er sich als ein heiterer Mensch, der tut, als sei er kerngesund. Vor Doktor Martin spricht und benimmt er sich wie vor Ihnen.«
»Und vor dem Personal?«
»Die Arbeit der Dienstboten unterliegt nicht seiner Aufsicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er muss sie nicht tadeln. Diese Sorge überlässt er mir, so dass ich immer als die Böse dastehe.«
Maigret erstickte fast in diesem zu weichen Sesselchen, in diesem Boudoir, dessen Blau ihm unerträglich zu werden begann. Er stand auf und hätte sich fast gereckt, wie er es in seinem Büro getan hätte.
»Haben Sie mir noch etwas zu sagen?«
Sie war ebenfalls aufgestanden, und sie maßen sich mit demselben harten Blick.
»Es wäre verlorene Liebesmüh.«
»Wünschen Sie, dass ich Ihnen einen Inspektor schicke, damit die Wohnung ständig bewacht ist?« »Die Idee ist einfach lächerlich!«
»Nicht, wenn ich Ihren Ahnungen glaube.«
»Es handelt sich nicht um Ahnungen.«
»Es handelt sich aber auch nicht um Tatsachen.«
»Noch nicht.«
»Fassen wir zusammen: Ihr Mann zeigt seit gewisser Zeit Anzeichen von Geistesgestörtheit...«
»Das sagen Sie!«
»Er verschließt sich, und sein Benehmen beunruhigt Sie...«
»Das kommt der Wahrheit schon näher.«
»Sie bangen um sein Leben oder um Ihres.«
»Ich gebe es zu.«
»Um wessen Leben mehr?«
»Wenn ich das wüsste, wäre ich schon sehr erleichtert.«
»Jemand, der in diesem Haus wohnt oder leicht Zugang zu ihm hat, hat zwei Briefe an den Quai geschickt, in denen er uns für bald ein Drama ankündigt. Ich kann jetzt hinzufügen, dass es darüber hinaus während meiner Abwesenheit einen Anruf gegeben hat...«
»Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
»Weil ich Ihnen zugehört habe. Dieser Anruf, der sehr kurz war, bestätigte nur, was in den Briefen stand. Der oder die Unbekannte hat sinngemäß folgendes gesagt: >Sagen Sie dem Kommissar, dass es bald passieren wird.<«
Er sah sie erblassen. Es war keine Komödie. Sie wurde plötzlich aschfahl im Gesicht, und Puderflecken traten hervor. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten.
»Ach!«
Sie senkte den Kopf, ihr schlanker Körper schien seine ungeheure Energie verloren zu haben. Da vergaß er seinen Ärger und bekam Mitleid mit ihr.
»Wollen Sie immer noch nicht, dass ich Ihnen jemanden schicke?«
»Wozu schon?«
»Wie meinen
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