Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
bis zu seinem Tod. Einige Leute behaupteten sogar, dass er ein Betrüger gewesen sei, andere, dass er sich von unheilbar Kranken bezahlen ließ, damit er an ihnen Wunder vollbringe. Ich frage mich nur, wo das Geld abgeblieben ist, das er angeblich den Leuten aus der Tasche gezogen hat. Nun ja, der neue Abbé, und das soll dir Mut machen, Kleine, der ist aus anderem Holz geschnitzt.“
Ihre freundliche, vertrauensselige Art war es und die warme Suppe vielleicht, die mich nach dem ersten Schrecken bald wieder mit der Welt versöhnte.
„Wohnt der Abbé Saunière in der Hütte des alten Pons, die sich Pfarrhaus nennt?“ fragte ich Émilie Maury - so hieß die alte Frau, die meine erste Freundin in Rennes-le-Château werden sollte.
„Ja, er hat sich dort notdürftig ein Zimmer eingerichtet. Zum Essen kommt er jedoch noch immer zu mir herüber. Aber er ist bereits dabei, die Küche instand zu setzen. Aus diesem Grunde ist er gestern auch nach Carcassonne gefahren. Er will um Geld nachfragen, für die Renovierung.“
Sie tätschelte tröstend meine Hand.
„Das Vernünftigste wäre es, wenn du dich bei mir einquartierst. Bis du ein eigenes Zimmer im Pfarrhaus beziehen kannst, wird es schon noch eine Weile dauern. Du könntest einstweilen das Kochen für uns drei übernehmen, vielleicht Wäsche waschen und plätten und mir sonst ein wenig zur Hand gehen. Was meinst du dazu?“
Ich dachte an Großmutters Worte und nickte. Was blieb mir anderes übrig, als geduldig abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden.
Als ich nachts aber allein in der fremden Kammer lag, war nicht nur das kalte, helle Mondlicht daran schuld, dass ich nicht einschlafen konnte. Vielleicht hätte ich nicht auf den Ratschlag Louises hören sollen, dachte ich verzagt.
„Wenn du es auf den Tod nicht mehr aushältst bei der Trussaut, so wende dich an Abbé Boudet, der soll schon in ganz anderen Situationen Rat gewusst haben“, hatte meine Freundin Louise eines Abends unwirsch gesagt, weil sie meiner ständigen Klagen über meine garstige Lehrherrin überdrüssig zu werden schien.
Jean-Jacques-Henri Boudet war ein herzenskluger Mann und guter Seelsorger. Jeder, der jemals mit ihm zu tun hatte, würde das bestätigen. Die wenigsten Menschen aber kannten seine andere Seite: Boudet tat nie etwas in seinem Leben, was nicht in seinen großen Plan passte. Doch das wusste ich damals noch nicht.
Als ich ihm von den endlosen Schikanen der Trussaut erzählt hatte, versprach er nach kurzem Nachdenken, etwas für mich zu tun. „Mit dem Hütemachen ist es allerdings vorbei. Die Trussaut ist wohl die einzige Putzmacherin weit und breit.“
Ich nickte. „Es ist mir gleich, Hochwürden. Ich nehme jede Arbeit an, die sich mir bietet.“
Tags darauf kündigte ich meine Lehrstelle auf, obwohl mich sogleich Zweifel beschlichen. Wie sollte ich meiner Großmutter begreiflich machen, dass ich so leichtfertig eine begehrte Anstellung aufgab? Zwei Tage später jedoch suchte mich Abbé Boudet zu Hause auf. Er hatte tatsächlich etwas für mich gefunden.
„Ich weiß nur nicht, ob es dir dort oben auf dem Berg nicht zu einsam sein wird, in Rennes-le-Château“, sagte er.
Sofort hatte mich ein ungutes Gefühl erfasst. „Nach Rennes soll ich hinauf?“ fragte ich, nun doch erschrocken. „Wer um alles in der Welt könnte mir dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, Arbeit und Brot geben?“
Ich konnte mich noch gut an meinen ersten Besuch in diesem Bergnest erinnern. Mein Bruder Barthélémy hatte in der Schule von der Burg des Grafen Blanchefort gehört und mich mit nach Rennes hinaufgenommen. Dort wollte er vom höchsten Punkt Ausschau nach dem Bézu halten, einem benachbarten Gipfel, auf dem – wie er mir zuraunte - Ruinen der „gefährlichen Tempelritter“ zu finden wären. Für derlei Geschichten war er zu begeistern. Doch es war so, als ob über dem Ort ein Zauber oder zumindest ein Hauch von längst Vergessenem gelegen hätte. Eine seltsam bedrückende Stimmung hatte uns den Berg wieder hinablaufen lassen, ohne die Burg oder die Ruinen der Templer näher in Augenschein genommen zu haben.
„In Rennes-le-Château ist die Stelle der Pfarrhaushälterin frei geworden. Sicher hast du auch Kochen und sparsames Haushalten gelernt bei Madame Trussaut, nicht wahr?“
Das konnte ich nun mit Fug und Recht behaupten. Die Trussaut war die geizigste Person, die mir jemals begegnet ist. Meine Freundinnen hatten mich um meine schöne Lehre als Putzmacherin
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