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Markheim

Titel: Markheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Versuchungen zu widerstehen vermögen; die meine war nicht so: mich dürstete nach Genuß. Heute aber, ausdieser Tat, sammle ich sowohl gute Lehren wie Reichtümer, sowohl den erneuten Entschluß wie die Kraft, ich selbst zu sein. Ich werde in allen Dingen Herr meiner Handlungen; ich sehe mich bereits als einen ganz anderen; diese Hände sind Werkzeuge des Guten; Frieden wohnt in diesem Herzen. Etwas aus der Vergangenheit überkommt mich; etwas, von dem mir an Sabbatabenden träumte, wenn die Orgel erklang; Vorahnungen, die ich hatte, wenn ich über großen, reinen Büchern weinen mußte oder als unschuldiges Kind mit meiner Mutter redete. Dort liegt mein Leben; ich bin einige Jahre in der Fremde umhergeirrt, jetzt aber sehe ich den Ort meiner Bestimmung wieder vor mir liegen.«
    »Sie wollen dieses Geld, glaube ich, auf der Börse gebrauchen?« bemerkte der Gast; »dort haben Sie aber, soviel ich weiß, schon einige Taufende verloren?«
    »Ah,« sagte Markheim, »diesmal ist es aber eine ganz sichere Sache.«
    »Auch diesmal«, sagte der Gast sehr ruhig, »werden Sie verlieren.«
    »Aber ich setzte doch nur die Hälfte dran,« rief Markheim.
    »Sie werden auch die andere Hälfte verlieren,« sagte der andere.
    Auf Markheims Stirn brach der Schweiß aus. »Nun, und wenn dem so wäre,« rief er. »Wenn ich es verliere, wenn ich in die Armut zurückstürze, soll ein Teil meines Wesens, und zwar der schlimmere Teil, bis zuletzt das Gute in mir verdrängen? Gut und Böse find stark in mir und reißen mich nach verschiedenen Seiten. Ich liebe nicht nur das eine, ich liebe alles. Ichkann von großen Taten träumen, von Verzicht und Märtyrertum, und obwohl ich mich zu diesem Verbrechen erniedrigt habe, ist Mitleid mir doch nicht fremd. Ich bemitleide die Armen; wer kennt ihre Nöte besser als ich? Ich bemitleide sie und helfe ihnen; ich schätze die Liebe, liebe ein ehrliches Lachen; es ist nichts Gutes und Wahres unter der Sonne, das ich nicht von ganzem Herzen liebe. Sollten denn meine Laster allein mein Leben bestimmen und meine Tugenden brach liegen wie toter Ballast des Gehirns? Niemals; auch das Gute ist eine Quelle zur Tat.«
    Allein der Gast hob warnend den Finger. »Sechsunddreißig Jahre lang haben Sie in dieser Welt gelebt,« sagte er, »durch wechselvolle Schicksale und Launen hindurch habe ich Sie ununterbrochen von Stufe zu Stufe sinken sehen. Fünfzehn Jahre sind es her, daß Sie mit einem Diebstahl begonnen haben. Noch vor drei Jahren hätte das Wort Mord genügt, um Ihnen das Blut aus den Wangen zu treiben. Gibt es wirklich noch ein Verbrechen, eine Grausamkeit, eine gemeine Handlung, vor der Sie heute zurückschrecken? In fünf Jahren werde ich Sie auch darüber ertappen. Tiefer, immer tiefer führt Ihr Weg; und nichts, außer dem Tode, kann Sie aufhalten.«
    »Wahr,« sagte Markheim heiser, »ich habe bis zum gewissen Grade dem Bösen nachgegeben. Aber so geht es allen, selbst die Heiligen werden durch die pure Tatsache, daß sie leben, weniger wählerisch und nehmen die Farbe ihrer Umgebung an.«
    »Ich werde eine einzige schlichte Frage an Sie richten«, sagte der andere, »und aus Ihrer Antwort werde ichIhnen Ihr moralisches Horoskop stellen. Sie sind in vielen Dingen laxer geworden; vielleicht mit Recht. Wenigstens machen es alle Menschen so. Aber, das zugegeben, sind Sie in irgend einem wenn auch noch so geringfügigen Punkt sich selbst gegenüber strenger geworden oder lassen Sie überall die Zügel schießen?«
    »In irgend einem Punkt?« wiederholte Markheim in qualvoller Überlegung. »Nein,« fügte er verzweifelt hinzu, »nirgends! Überall bin ich bergab gegangen.«
    »Dann,« sagte der Besucher, »dann begnügen Sie sich mit dem, was Sie sind; denn Sie werden sich niemals ändern; die Worte Ihrer Rolle auf dieser Bühne sind unwiderruflich niedergeschrieben.«
    Markheim stand lange schweigend da; der Besucher war der erste, die Pause zu unterbrechen. »Da dem so ist,« sagte er, »soll ich Ihnen das Geld zeigen?«
    »Und die Gnade?« rief Markheim.
    »Haben Sie es mit der nicht auch schon versucht?« entgegnete der andere. »Sah ich Sie nicht vor zwei, drei Jahren bei religiösen Versammlungen? Hat nicht Ihre Stimme in dem Choral am lautesten geklungen?«
    »Wahr, wahr,« sagte Markheim; »ich sehe klar, wohin mich die Pflicht jetzt führt. Ich danke Ihnen aus tiefster Seele für die Lehren, die Sie mir gegeben haben. Sie haben mir die Augen geöffnet, endlich erkenne ich mich als den, der

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