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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE GRÄN
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dem Veilchen, das ihr einer verpasst hat. Behauptet, dass sie mit einem Fitnessgerät kollidiert ist, aber man muss ja nicht alles glauben. Hier und heute stinkt sie wie ein türkischer Basar, und es scheint sie nicht im Mindesten zu stören. Eine Frau zum Abgewöhnen, dass sie ihn das letzte Mal abwies, hat ihn allerdings gekränkt. Rosi sagte einmal zu ihm, dass er ein erotischer Mann sei. Das war zu einer Zeit, als sie einen Schauspieler, der bei ihm unter Vertrag war, unbedingt für eine Serienrolle gewinnen wollte. Sie konnte ungemein liebenswürdig sein, wenn sie ein Ziel verfolgte.
    »Prost, meine Damen. Auf Rosi. Gott möge ihrer Seele gnädig sein. Falls sie eine hat…«
    »Wer erbt?«, fragt Anna, die Freddy ihr leeres Glas hinhält.
    »Na, der Ehemann, möchte man meinen. Kinder sind keine da. Der alte Mime wird als trauernder Witwer zu großer Form auflaufen, darauf kannst du Gift nehmen. Jacob war ein begnadeter Schauspieler, bevor er sich zukokste.« Der Agent sieht sich, während er mit Anna spricht, im Lokal um. Er nimmt das Freiwild ins Visier und sieht mindestens fünf Gören, die als Beute in Betracht kämen.
    »Der übliche Kreis der Verdächtigen«, sagt Anna, die Detektivin. Sie denkt an Harry, der mit ihr über Rosi sprach, als wäre sie noch am Leben. Wenn er sie erschlagen hat, woran sie nicht glauben möchte, ist er auch ein guter Schauspieler. Sie haben über eine Tote gesprochen in der Küche, und Anna fragt sich jetzt, ob sie klammheimliche Freude empfindet. Tut sie nicht. Sie ist gegen die Todesstrafe, obwohl sie jeden trifft, früher oder später. Im Augenblick scheint es ihr, als sei sie ihr sehr nahe.
    In ihrem Magen ziehen Kreise aus Schmerz und Übelkeit, und Schweißausbrüche deuten auf eine Kreislaufschwäche hin. Der Kaviar, vielleicht war das Verfallsdatum doch schon sehr überschritten, und der polnische Kellner kann nicht richtig lesen. Er hat sie vergiftet, und niemals würde sie ihm verzeihen, an einer Überdosis Kaviar gestorben zu sein.
    »Fehlt dir was?«, fragt Sibylle, und Anna schüttelt langsam den Kopf. Vodka. Er beruhigte den Magen für eine Weile, doch jetzt bleibt ihr nur noch der ungeordnete Rückzug. Sie drängt sich durch zur Toilette, die im Hinterhof liegt. Die frische Luft tut gut, aber die letzten Schritte läuft sie, darum betend, dass die einzige Damentoilette nicht besetzt ist. Sie schafft es mit einem letzten Sprint und beugt ihren Kopf über die Schüssel, die nach Desinfektionsmitteln riecht.
    Das gibt ihr den Rest. Sie erbricht die Mischung aus Speisen und Getränken, und alles riecht nach Knoblauch und schmeckt nach Galle. Es ist widerwärtig, aber als sie sich aufrichtet, fühlt sie sich besser. Sie geht zum Waschbecken und hält ihr Gesicht unter den Wasserhahn. Was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Wie ist Rosi gestorben? Über der Kloschüssel kniend wie Anna, oder hat sie ihrem Mörder ins Gesicht gesehen? Sie war eine große, starke Frau, sie hätte sich doch gewehrt?
    Anna blickt in ihr Spiegelgesicht und sagt: »Es ist vorbei. Es geht dich nichts an.« Das Licht, das von schräg oben auf sie fällt, ist erbarmungslos. Sie hat immer schon lieber in den Kühlschrank als in den Spiegel gesehen. Gewisse Falten sollten verboten werden, andere stören weniger. Das Gesicht war immer breitflächig, mit hohen Backenknochen. Jetzt sacken die Konturen langsam und unabwendbar nach unten. Fünfzig Jahre Anna-Leben, in einem Gesicht festgehalten, das auch in ihren besten Jahren nie ein Grund zum Jubeln war. Immerhin, sie lebt noch. Anna spült ihren Mund und zieht die Lippen nach. Besprüht sich mit Chanel, was auch nicht viel hilft. Wer immer nach ihr die Toilette betreten mag, ist ihres Mitgefühls sicher.
    Als sie auf dem Hof ist, klingelt ihr Handy. Sie ahnt, wer anruft, und zögert, als sie es in der Hand hält. Sie könnte schon schlafen… aber dann siegt die Neugierde, wie immer. »Anna Marx.« Sie hasst Leute, die sich mit »Hallo« melden.
    »Ich wollte dich nie mehr anrufen, aber… ich wünschte, du wärst geblieben. Es ist etwas Schreckliches geschehen.«
    Rafaels Stimme klingt belegt. Vielleicht leidet er wie sie, das ist gut, denkt Anna. »Bist du im Krankenhaus, oder sprichst du von Rosi Stark?«
    »Du hast es also auch schon gehört, Anna.«
    Sie atmet tief ein. Frische Luft. Sie wird nie wieder rauchen, trinken oder Kaviar essen. »Sie ist immerhin nicht erschossen worden. Hat Harry etwas dazu gesagt?«
    »Nur, dass sie bekam,

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