Meconomy
Unser Austausch fand über Twitter und E-Mail statt und zog sich über mehrere Wochen. Wir diskutierten unter anderem über das neue Zeitalter der fehlenden Sicherheiten und wie man sich auf die Jobs der Zukunft vorbereitet:
Johannes, was bedeutet für dich Arbeit?
Johannes Kleske: Für mich ist essenziell, Dinge zu tun, an denen mein Herz hängt. Deswegen versuche ich, meine Arbeit ständig weiterzuentwickeln und näher an das heranzubringen, was mir „Erfüllung“ gibt. Bei dieser Herangehensweise ist aber das Festhängen in einem unbefriedigenden Job nur ein Teilproblem. Meine Beobachtung ist, dass viele ihren aktuellen Job nicht kündigen, weil sie gar nicht wissen, was sie lieber machen würden. Für mich ist die Suche nach Arbeit, an der mein Herz hängt, eine lebenslange Reise. Jede neue Erfahrung hilft mir dabei, meine eigenen Interessen, Talente und Bedürfnisse besser kennenzulernen. Jeder neue Job ist dabei für mich der nächste Schritt in Richtung Ideal, ohne dass ich dieses jemals erreichen werde, da es sich jedes Mal ein Stück weit mit verändert. Wer dabei irgendwann glaubt, seinen Traumjob gefunden zu haben, ist allerdings in der Gefahr, stehenzubleiben. Und das ist schlicht langweilig.
Der Marketingexperte und Buchautor Seth Godin behauptet: Es gibt da draußen unendlich viele „Stämme“, die darauf warten, dass man ihr Anführer wird. Tu, was du liebst, dann wird dich die weltweite Plattform von Web 2.0, Mobile Web etc. mit Gefolgschaft, Kunden, Geschäft belohnen. Was hältst Du von Godins Argument?
Kleske: Mir gefällt Godins Definition von Leadership, nicht über Macht und Management, sondern über Leidenschaft, außerordentlich gut. Und ich glaube, dass in der aktuellen Weltwirtschaftslage Leidenschaft wieder eine viel größere Rolle spielen wird. Seit Ewigkeiten sind wir in unserer Jobwahl Kompromisse zugunsten der Absicherung eingegangen. Nun stellen wir entgeistert fest, dass uns kein Job der Welt die Sicherheit bieten kann, die wir uns wünschen. Ich hoffe und glaube, dass für viele diese Feststellung dazu führen wird, dass sie sich sagen: „Sicherheiten gibt es eh keine mehr, dann kann ich ja auch gleich das tun, wofür mein Herz schlägt.“
Wie kann das konkret aussehen?
Kleske: Ich glaube, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren einen neuen Boom von Handwerk, kleinen Läden und allgemein viel mehr Selbstständigkeit sehen werden. Und meine These ist, dass das uns letztendlich aus der Krise führen wird und dabei viel nachhaltiger in seiner Beständigkeit ist als vor der Krise. Slogans wie „Grow slow, grow strong“ treten in den Vordergrund, schnelles Geldverdienen in den Hintergrund.
Grundsätzlicher: Ist es in der digitalen Ökonomie einfacher, sich selbst zu verwirklichen? Kann man sein Leben „ hacken“ und dadurch optimieren?
Kleske: Für Ideen, die sich in der „digitalen Ökonomie“ umsetzen lassen, stimmt das absolut. Wer heute zum Beispiel eine Idee für eine Web-Applikation hat, hat praktisch keine Kosten mehr, außer der Zeit, die er investiert. Die Entwickler-Programme von Google, Microsoft und Amazon, die Entwicklungsumgebung und Serversysteme zur Verfügung stellen, haben den Startaufwand noch einmal enorm reduziert. Der Vorteil der Kostenreduzierung ist auch, dass man viel mehr Ideen als früher austesten kann, um dann zu schauen, was davon funktioniert. Die Flexibilität des Systems sorgt dafür, dass ich nicht erst meinen alten Job aufgeben muss, bevor ich mir nicht sicher bin, dass meine Ideen ankommen. Ich kann sie zunächst in meiner Freizeit entwickeln. Erst wenn sie so erfolgreich sind, dass sie meine ganze Aufmerksamkeit benötigen, kündige ich. Auch in allen anderen Bereichen der digitalen Ökonomie gehen die Einstiegskosten gegen null.
Sind diese Überlegungen in der langsam abklingenden Wirtschaftskrise frivole Luxusprobleme?
Kleske: Im Gegenteil. Ich sehe ich hier enorme Chancen. Gerade was das Gründen und Starten von Unternehmungen angeht, sehe ich sogar einen Vorteil. Es ist massiv schwerer geworden, Geld für halbgare Ideen zu bekommen. Gleichzeitig ist es, wie gerade gesagt, deutlich günstiger geworden, Ideen erst mal auszuprobieren. Ich hoffe, dass Unternehmer in den nächsten Monaten und Jahren wesentlich häufiger klein beginnen und langsamer wachsen werden, dafür aber den Fokus auf Qualität und Service legen. Das Beste, was die Krise für uns tun konnte, ist, uns von unserer Gier nach schnellem Wachstum zu
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