Meconomy
Meine freigestellten Exkollegen jedenfalls hatten es jetzt erst mal nicht leicht: Die Kündigung hatte sie überrascht, die meisten hatten keinen Plan B. Dazu kam: Wenn 80 Zeitschriftenmitarbeiter auf einen Schlag nach neuen Jobs suchen, wird es eng. In den folgenden Monaten entpuppten sich viele krisensicher geglaubte Jobs selbst bei Traditionsmarken als sehr wackelig: Märklin, Rosenthal, Schiesser, Karstadt, Opel – Sicherheit fürs Leben war dort, anders als für frühere Generationen, nicht mehr zu finden.
Ich hingegen merkte, dass die anfängliche Auftragsflaute nur an der Unsicherheit der Unternehmen zu Beginn der Krise gelegen hatte. Meine Theorie war offenbar doch nicht so blauäugig. Es konnte tatsächlich sein, dass ich mein freies, ungebundenes und glückliches Leben auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten würde führen können. Inzwischen verdiene ich – vorausgesetzt, ich nehme mir nicht zwischendurch frei – mindestens so viel wie als Festangestellter. Meine Arbeitsweise, manchmal vor Ort im Büro zu sein, manchmal aber auch von einem Café in Lissabon aus zu arbeiten, stellt keiner mehr infrage. Das Leben ist nicht immer einfach, aber näher an die Easy Economy kann man wahrscheinlich nicht kommen.
Ich habe seitdem viele Menschen kennengelernt, denen es ganz ähnlich ging wie mir: Von alten Gewissheiten enttäuscht, haben sie sich entschieden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und endlich das zu tun, was sie mögen. Sie gründeten ein Unternehmen für elektronisches Lernen, erfanden ein kleines Programm fürs iPhone, das es Menschen ermöglicht, ihre eigene Produktivität zu verbessern. Sie machten sich mit einer Agentur für Virtuelle Persönliche Assistenten selbstständig, arbeiteten im Winter in Südamerika oder immer von einem kleinen Häuschen in der Uckermark aus.
Für manche ist die Lehre aus der Krise, dass sie umso mehr an ihren Sicherheiten festhalten, vor allem: an der Festanstellung, so sie noch eine haben. Das ist verständlich und kurzfristig wohl auch vernünftig, aber auf längere Sicht nicht unbedingt die beste, jedenfalls nicht mehr die einzige Strategie. Manche kündigten ihre gut bezahlten Jobs, weil sie sich von der Krise nicht einschüchtern lassen wollten oder diese sogar als Chance sahen. Viele Berufsanfänger machten sich in der aktuellen Wirtschaftslage keine Hoffnungen auf die sichere Festanstellung und begannen von ihrem Wohnzimmer aus, nur mit dem Laptop bewaffnet, ein Geschäftsmodell zu verfolgen.
Es ist kein Zufall, dass der Ansatz der Easy Economy, also des mobilen, flexiblen und selbstbestimmten Arbeitens, auch in ökonomisch angespannten Zeiten funktioniert. In Wahrheit, so denke ich inzwischen, funktioniert er dann sogar besser. Die Krise ist – zumindest gefühlt – schon wieder vorbei, doch sie hat einen grundlegenden Mentalitätswandel bewirkt. Sie war der Katalysator für eine Entwicklung, die Experten schon vorher unaufhaltsam erschien, die nun aber noch einmal beschleunigt, vor allem aber für viele erstmals sichtbar wurde.
Am Ende stehen Lebens- und Arbeitsbiografien, die kaum noch etwas mit denen unserer Elterngeneration zu tun haben. Wir machen unsere Hobbys zum Beruf und verlegen unseren Lebensmittelpunkt dorthin, wo wir am glücklichsten und produktivsten sind. Wir müssen uns selbst wie eine Marke positionieren, unsere Stärken ausbauen und Dinge, die wir nicht so gern oder gut machen, an andere Experten auslagern, vielleicht sogar an Dienstleister in anderen Ländern. Wir machen uns leichteren Herzens selbstständig, aber vor allem werden wir selbstständiger denken und fühlen. Es wird ein gutes, aufregendes und erfülltes Leben sein, aber nicht jeder wird es führen können. Nur jene mit guter Ausbildung, Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, kultureller Offenheit, Neugier und Glauben an die eigenen Fähigkeiten werden dazugehören. Das heißt zugleich: Viele werden durch dieses Raster fallen. Die neue Arbeitswelt, nennen wir sie „Meconomy“, wird hart werden, und sie wird die Gesellschaft in der Mitte spalten.
Zugegeben: Nicht jeder kann seine Leidenschaft zum Beruf machen, kann sich aus den Fesseln des Bürotrotts befreien und sich in der modernen Welt selbst verwirklichen. Von diesem Buch wird profitieren, für wen die Möglichkeiten der digitalen Ökonomie, der globalen Mobilität und der individuellen Markenbildung verlockend klingen. Wer unter der Fremdbestimmung einer Festanstellung leidet und sich überlegt, endlich
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