Merlins Drache 01 - Basilgarrad
bringen.
»Wahrscheinlich«, knurrte Merlin, während er mühsam den Stab aus den Dornen zog. »Aber … wirklich!«
»Du wirkst mit deinem Zauberspruch«, erklärteBasilgarrad, »und ich versuch es mit Geruch. Das ist nur fair.«
Merlins finstere Miene verzog sich. »Ich vermute, mein übergroßer Freund, dass unsere Abenteuer erst begonnen haben.«
Der Drache klopfte beifällig mit dem Schwanz auf den Boden. Diese nette Geste verursachte ein Beben, dass der Wald meilenweit ringsum prasselte und knarrte, Rehe galoppierten, Eichhörnchen flohen und Vögel davonflogen.
Merlin hob den Stab auf und drehte ihn langsam in der Hand. Dann schaute er zu Basilgarrads großem Auge hinauf und sagte leise: »Ich bin froh, dass wir uns an diesem schicksalsschweren Tag wirklich begegnet sind.« Er seufzte. »Und jetzt muss ich leider fort. Ärger braut sich in Feuerwurzel zusammen. Etwas mit unterirdischen Höhlen, flammenden Juwelen – und zornigen Drachen.«
Basilgarrad legte den mächtigen Kopf schief. Seine Stimme wurde zu einem hallenden Brummen, als er fragte: »Suchst du eine Fahrgelegenheit?«
Merlin zog eine buschige Braue hoch. »Bist du schnell?«
»Nicht so schnell wie der Wind … aber ich werde mein Bestes tun.«
Das Gesicht des Zauberers hellte sich auf. »Dann nehme ich gern diese Fahrgelegenheit an.«
Avalons einziger Élanodrache legte den Kopf schief, sodass sein Ohr, das Merlin überragte, mit einem Rinden-und Nadelregen auf den Boden schlug. Schnell stieg der Zauberer hinauf. Er griff nach dem Rand des Ohrs und konnte sich da festhalten, als Basilgarrad den Kopf gerade richtete und höherreckte.
Merlin stand auf dem Drachenkopf, klammerte sich an das große spitze Ohr und schaute jetzt auf gleicher Höhe wie die Baumwipfel hinaus über die bewaldeten Hügel und die vielschichtige Landschaft. In der Ferne ließ sich ein Schwarm gelber Schmetterlinge mit Flügeln, die glänzten wie Sterne, auf einer dunkelgrünen Fichte nieder. Der Zauberer nickte und sagte: »Ich glaube, ich werde diese Aussicht genießen.«
»Warte«, hauchte eine freundliche Stimme, die vorbeiwehte. »Bevor wir uns trennen, hhabe ich noch etwas zu sagen.«
»Komm mit uns, Aylah«, brüllte der Drache. »Wir können zusammenbleiben! Zusammen fliegen. Wie bisher!«
Die Luft wirbelte über seine mächtige Stirn und die Ohren und ließ Merlins Tunika flattern. »Nein, mein Freund«, antwortete die Windschwester. »Wir sind schon eine erstaunlich lange Zeit zusammengeblieben, viel länger, als ich je mit anderen Wesen zusammen war.«
Windstöße kamen näher und erfüllten die Luft mit Zimtgeruch. »Eine Windschwester muss fliegen, ohne an Schlafen oder Wachen zu denken. Denn ich bin so wachsam wie die Sterne und so ruhhelos …«
»… wie der Wind«, ergänzte Basilgarrad.
»Ahh ja. Wir sind weit geflogen, du und ich – zu allen sieben Reichen dieser Welt, deren Magie du gekostet hhast, und an den Rand der Anderswelt.«
Sie wehte um seinen Kopf und streichelte seine weichen Ohren, die funkelnden Augen, den großen Mund und sogar die Zahnlücke. »Aber bevor ich dich verlasse, möchte ich das sagen: So weit du auch fliegst, du wirst immer eine Freundin hhaben.«
So groß Basilgarrads Kehle jetzt auch war, er brachte keinen Laut hervor.
»Vielleicht sehhe ich dich nie wieder«, fuhr Aylah fort. »Aber ich wünsche dir Gutes, wohhin deine Winde auch blasen.«
Sie umkreiste ihn ein letztes Mal. »Und auch wenn die ganze Welt dich als den großen Basilgarrad kennt, den Töter des Kreelix und Verteidiger von Avalon – für mich bleibst du immer … mein kleiner Wanderer.«
Mit einem Windwirbel wehte sie davon. Mehrere Sekunden lang blieben Basilgarrad und Merlin reglos, so still wie ein Tag ohne eine Brise. Dann zitterten die Ohren des grünen Drachen, während seine Augen den fernen Horizont absuchten.
Mit tiefer, volltönender Stimme erklärte er: »Nun gut. Zeit zu fliegen.«
Epilog
Trinken
Was habe ich in all den Jahren als Drache gelernt?
Was du nicht weißt, nicht siehst und nicht erwartest –
das ist es meistens, was dich tötet.
Jahr 45 von Avalon
D as Schaf kämpfte sich einen weiteren Schritt den steinigen Hang hinauf und versuchte, den Kopf so hoch zu halten, dass es den Bergbach ein paar Schritte weiter oben auf dem Hang sehen konnte. Der Bach glitzerte einladend, er kam aus einem Durcheinander von Steinen, die bis vor Kurzem von Schnee bedeckt gewesen waren. Selbst jetzt hörte das Schaf das
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