Metro2033
Bourbon unvermittelt sagte: »Ich hab auch so was gehört. Ich war aber damals nicht hier, genau kann ich es nicht sagen.«
Auch diese Worte klangen dumpf, und Artjom begriff nur mit Mühe den Sinn des Gehörten. Er versuchte die Bedeutung der Wörter von seinen Gedanken zu trennen, die sich schwer um die Frage wälzten, warum hier alles so schlecht zu hören war. »Wie bitte, hat sie etwa niemand gesehen? Hier ist doch am einen Ende eine Station und am anderen auch eine. Wohin sind sie gegangen?« Artjom redete weiter, nicht weil es ihn besonders interessierte, sondern um seine eigene Stimme zu hören.
Es vergingen wieder ein paar Minuten, bevor Bourbon antwortete, doch diesmal verspürte Artjom nicht mehr den Wunsch, ihn aufzumuntern. In seinem Kopf ertönte das Echo seiner eigenen, soeben gesprochenen Worte, und er war zu beschäftigt, diesem Widerhall zu lauschen.
»Hier soll irgendwo ... eine Art Luke sein«, sagte Bourbon mit unnatürlichem Ärger in der Stimme. »Getarnt. Man sieht sie nicht ... Aber in dieser Dunkelheit erkennst du ohnehin nie was.«
Artjom brauchte einige Zeit, um sich zu erinnern, worüber sie eben gesprochen hatten. Gequält versuchte er sich an einem Häkchen Sinn festzuhalten und die nächste Frage zu stellen - wieder nur, um das Gespräch fortzusetzen. So unbeholfen und zäh es auch war, es rettete sie doch vor der Stille. »Und hier ist es immer so ... dunkel?« Artjom bemerkte mit Schrecken, wie leise seine Worte klangen, als habe er Druck auf den Ohren.
»Dunkel? Hier immer ... Überall dunkel«, ließ sich Bourbon vernehmen. Er machte nun seltsame Pausen. »Es wird ... eine große Finsternis kommen ... und sie wird die Welt einhüllen ... und ewig herrschen.«
»Was ist das, ein Buch?«, stieß Artjom hervor. Er musste sich immer mehr anstrengen, um seine eigenen Worte zu hören. Auch fiel ihm auf, dass sich Bourbons Sprache auf beunruhigende Weise verändert hatte. Doch er hatte keine Kraft, darüber nachzudenken.
»Ein Buch ... Fürchte ... die Wahrheit in alten ... Folianten, wo ... die Wörter mit Gold geprägt sind und das Papier ... schwarz wie Schiefer ... nicht zerfällt«, brachte Bourbon schwer hervor, und Artjom erschrak darüber, dass sein Begleiter, wenn er zu ihm sprach, sich nicht mehr umdrehte wie früher.
»Sehr schön!« Artjom schrie nun fast. »Woher ist das?«
»Und die Schönheit ... wird gestürzt und mit Füßen getreten«, fuhr Bourbon mit dumpfer, hohler Stimme fort. »Und ... den Propheten werden vergehen ihre vergeblichen Bemühungen, Weissagungen zu sprechen ... Denn der künftige ... Tag wird ... schwärzer sein als ihre unheilvollsten ... Ängste, und was sie sehen ... wird ihre Vernunft vergiften ...« Plötzlich blieb er stehen, drehte den Kopf so heftig, dass Artjom hören konnte, wie seine Halswirbel knackten, und blickte dem jungen Mann direkt in die Augen.
Artjom wich zurück. Instinktiv tastete er nach dem Sicherungshebel seiner Waffe. Bourbon sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, doch seine Pupillen waren seltsam verengt, hatten sich in zwei winzige Punkte verwandelt, obwohl sie sich im Stockfinstern eigentlich hätten weiten müssen, um so viel Licht wie möglich aufzunehmen. Sein Gesicht war unnatürlich ruhig, nicht ein Muskel war angespannt, selbst von den Lippen war das ewig spöttische Lächeln verschwunden. »Ich bin tot«, stieß er hervor. »Mich gibt es nicht mehr.« Steif wie ein Brett fiel er um, mit dem Gesicht nach unten.
Sogleich brach über Artjom wieder jener furchtbare Klang herein, diesmal jedoch ohne allmählich anzuschwellen wie zuvor, nein, diesmal donnerte er sofort mit voller Kraft los, so betäubend, dass es ihn augenblicklich von den Füßen riss. Hier war das Geräusch noch viel mächtiger als das letzte Mal, und während Artjom gleichsam von einer tonnenschweren Kraft flach auf den Boden gedrückt wurde, fehlte es ihm lange an Willenskraft, um sich wieder zu erheben. Schließlich hielt er sich die Ohren zu, schrie so laut er nur konnte, riss sich hoch und stand auf. Dann griff er nach der Taschenlampe, die Bourbon aus der Hand gefallen war, und begann fieberhaft die Wände abzuleuchten, auf der Suche nach der Quelle des Geräuschs. Die Rohre hier waren jedoch völlig unversehrt - das Geräusch kam von oben.
Bourbon lag noch immer reglos da. Artjom drehte ihn auf den Rücken und sah, dass seine Augen geöffnet waren. Mühsam versuchte Artjom sich daran zu erinnern, was man in einer solchen Situation tun
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