Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Selbstkundgabe, Beziehung, Appell), für das Hören dieses Akkords wurden «vier Ohren» ins Bewusstsein gerückt. Dadurch wurde es möglich, Gespräche und Auseinandersetzungen in diesem vierfachen Wechselspiel zu begreifen, allfällige Störungen auf die Ebene ihrer Entstehung zurückzuverfolgen und gegebenenfalls durch kundige Metakommunikation zu klären. Neben der Sensibilisierung bestand nun auch die Möglichkeit, den wirksamen Gebrauch der eigenen vier Schnäbel und Ohren einzuüben («Miteinander reden 1»).
Dabei zeigte es sich, dass die «kommunikative Grundausstattung», der Wuchs und die Handhabung der Schnäbel und Ohren, von Mensch zu Mensch sehr verschieden ist. Folglich wurde es notwendig, die Weiterentwicklung von Kommunikation und sozialer Kompetenz als eine sehr individuelle und tief berührende Angelegenheit zu betrachten, bei der jegliche Art von «Standardschulung» danebengeht oder nur die Sprechblasen vordergründig verändert. Mit Hilfe des Werte- und Entwicklungsquadrats wurde es möglich, im Zusammenhang mit einer «kommunikativen Tugendlehre» die eigenen Entwicklungsrichtungen zu bestimmen und weiter zu verfolgen («Miteinander reden 2»).
So weit, so gut. Der Stein der Weisen musste in der Hand jeder Leserin, jedes Lesers aufs Neue jeweils anders und einzigartig entstehen. Er liegt in Ihrer Hand, und dort gehört er auch hin. Herr Schulz von Thun wird uns nicht sagen, wie wir richtig kommunizieren sollen. Oft genug weiß er es ja selbst nicht oder kann dem, was er weiß, nur ungenügend entsprechen.
Seitdem, wie Victor Frankl (1975) bemerkt, die Instinkte dem Menschen nicht mehr sagen, was er tun muss , die Traditionen kaum noch, was er tun soll , seitdem wir dazu befreit und dazu verurteilt sind, unser Wollen und Handeln nach «eigenen» (und was heißt das?) Maßstäben auszurichten, seitdem stehen wir allein vor einem großen Projekt: Wie kommuniziere, wie verhalte ich mich «richtig»?
Der dritte Band von «Miteinander reden» ist diesem Projekt gewidmet; nicht indem er darauf eine Antwort gibt, sondern indem er eine Anleitung zur Selbstbeantwortung entwirft.
Die Frage nach dem «richtigen» Verhalten stellt sich dem Lebenspraktiker nicht abstrakt, sondern immer im konkreten Augenblick. So zum Beispiel, wenn eine fleißige Studentin von einem Mitstudenten gefragt wird, ob er ihre Ausarbeitungen für sich kopieren dürfe. Gern ist sie hilfsbereit und solidarisch, aber will sie auch die Früchte ihrer Arbeit «einfach so» mit jemand anderem teilen? Was soll sie sagen, und wie soll sie es sagen? – Oder was soll er sagen, der Bundestagspräsident, wenn er eine Rede halten soll zum Gedenken an die Judenpogrome in Deutschland 1938 – und wie soll er sprechen? – Wie soll sie reagieren, die Verkaufstrainerin, wenn die (männlichen) Teilnehmer an ihrer Fortbildungsveranstaltung sie mit abfälligen Bemerkungen («Alles alte Hüte!») der Wertlosigkeit preisgeben? – Wie soll der erboste Chef mit seinem hochempfindlichen Mitarbeiter reden, der wieder einmal bestimmte Pflichten nicht rechtzeitig erfüllt hat, aber aufgrund seiner Kreativität sehr wichtig für die Abteilung ist? – Wie soll er «richtig» kommunizieren, der Vater, wenn der Elternabend nicht so läuft, wie er es gern hätte? – Und wie soll sie reagieren, die geschiedene Frau, wenn die jetzige Freundin ihres Ex-Mannes sie anruft, um von ihrem Beziehungskummer zu berichten?
Dies ist eine kleine Auswahl aus all den Praxisbeispielen, die in den folgenden Kapiteln helfen sollen, die Lehrinhalte zu konkretisieren. Immer geht es um das richtige Was und das angemessene Wie . Weiß denn der Kommunikationsberater die Antwort auf all solche Fragen? Nein, wenn er ein guter Berater ist, weiß er sie nicht. Aber er weiß, wie man die Antwort herausbekommt, wie man sie «herausarbeiten» kann. Einen solchen Kommunikationsberater möchte ich Ihnen sozusagen für den täglichen Hausgebrauch mit auf den Weg geben, als geistigen und psychologischen Begleiter für das professionelle und das private Leben.
Mein Suchkompass weist in zwei Richtungen. Das hängt damit zusammen, dass für mich das zentrale, übergeordnete Kriterium für eine angemessene (gute, richtige) Kommunikation das Ideal der Stimmigkeit ist. Im Band 1 habe ich diesen Begriff vorläufig definiert als die doppelte Übereinstimmung sowohl mit mir selbst als auch mit dem Charakter der Situation . Diesen Gedanken möchte ich hier wieder aufnehmen und
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