MITTERNACHTSFLUT (German Edition)
Marie nicht leicht, denn sie nahm die Dinge gerne selbst in die Hände. Doch Manolo beschwor sie inständig zu warten. „Bitte Marie, mach jetzt nichts kaputt. Hab Geduld, erweise dich als würdig. Bitte vergiss nicht – er hat fast 500 Jahre auf dich gewartet. Es gilt jetzt sich dem Willen der Vorfahren zu beugen. Dazu gehören auch einige Dinge, die unumgänglich sind. Tu mir den Gefallen und hab Geduld!“
Sie beschäftigte sich so gut sie konnte, indem sie sich Hals über Kopf in neue Arbeit stürzte. Bis spät in die Nacht bearbeitete sie Bilder und erledigte ihre Aufträge mit so viel Akribie und Perfektion, dass sie für die Bild- und Werbekampagne eines deutschen Biomarktes einen begehrten Preis einheimste. Niemand war überraschter als sie selbst, als die Nachricht eintraf und sie zur Preisverleihung nur drei Wochen später nach Deutschland eingeladen wurde. Stolz auf das Erreichte aber gleichzeitig unschlüssig wie sie sich verhalten sollte, marschierte sie hinüber zu Manolo.
„Ich hab den Preis für die beste Kampagne des Jahres gewonnen, hier sieh her!“
Sie wedelte mit einem frechen Grinsen mit dem Brief vor Manolos Gesicht herum. Der fing lachend ihre Hand ein. „Meinen herzlichen Glückwunsch. Ich sage doch immer du bist ein Genie, aber auf mich hörst du ja nicht.“ Sein anklagender Blick misslang kläglich und so hob er sie kurzentschlossen hoch und wirbelte sie durch die Luft. Marie kicherte. „Vorsichtig alter Mann, übernimm dich nicht!“ „Sei nicht so frech, vergiss nicht, ich hab dich in der Hand.“
„Ja, das hast du.“ Marie wurde kurzfristig wieder sehr ernst. „Manolo, sie laden mich ein nach Deutschland zu fliegen. Aber ich will hier nicht weg. Was, wenn ausgerechnet in der Zeit etwas passiert?“ „Nun, das musst du wissen mein Töchterchen. Ich wenn du wäre, würde fliegen. Die paar Tage werden nichts verändern. Wie lange wärst du denn weg?“
„Nur drei Tage. Der Hinflug, am nächsten Tag die Verleihung des Preises mit allem was dazu gehört. Dann der Galaabend und einen Tag später wäre ich schon wieder hier.“ Marie sah ihn unsicher an. „Wo ist dein Problem? In der Zeit ist auch keine Mitternachtsflut, warte mal.“ Manolo verschwand in seinem Haus und kam nur Augenblicke später mit einem kleinen, in altes Leder eingebundenem Notizblock zurück. Er stöberte darin herum und schien beruhigt. „Ja, du kannst leicht fliegen, die Flut ist erst eine Woche später. Das bringt dich auf andere Gedanken.“ Neugierig spähte Marie in das Notizbuch. „Hast du dir darin ausgerechnet, wann die Mitternachtsfluten sind?“ Zeig mal her, bitte.“ Schneller als Manolo zu reagieren vermochte, hatte Marie schon ein Datum erspäht. „Marie! Hörst du wohl auf damit? Erinnere dich bitte, was ich dir gesagt habe! Du darfst nichts tun. Es geschieht das, was geschehen soll. Und es wird dann geschehen, wann es geschehen muss. Hast du das verstanden?“ Marie verschränkte schmollend die Arme. „Ich habe gesehen, dass es schon in wenigen Tagen wieder soweit ist. Warum findet dieses Naturphänomen jetzt so oft statt?“
Manolo sah sie eindringlich an. „Marie, wir waren uns klar darüber, dass du dich in Geduld übst, ja?“ Als er ihr anklagendes Gesicht sah, musste er unwillkürlich lachen. „Marie, sagte ich du sollst damit aufhören? Los komm mit, schmollen kannst du auch bei Jose und der Paella die er heute zaubert.“ Maries Miene hellte sich spontan auf. „Meeresfrüchte?“
„Nein Heuschrecken. Natürlich Meeresfrüchte, was denkst du denn?“ Der Abend bei José war ausgesprochen amüsant, die Paella köstlich, der Wein lecker und die Gespräche interessant. Kaum aber dass Marie in ihrem Bett lag, fingen ihre Gedanken an Achterbahn zu fahren. Sie hatte bei dem kurzen Blick in Manolos schlaues Buch ganz deutlich das nächste Datum gesehen. Übermorgen! In den zwei folgenden Tagen hütete Marie sich, das Thema auch nur ansatzweise zu erwähnen. Manolo reagierte zunehmend genervt auf ihre dauernden Fragen.
Kapitel 9
Also lenkte sie sich ab, packte ihre Badesachen ein und fuhr nach Puerto de la Cruz. Die dortigen Meeresschwimmbäder in San Telmo waren ein Wunder der Technik und so sah sie auch endlich einmal wieder einige ihrer Freunde.
„Nein, sie lebt!“ Domingo freute sich sichtlich sie endlich einmal wieder zu sehen.
„Wo steckst du denn die ganze Zeit? So viele philosophische Gespräche mit Manolo kannst nicht einmal du führen!“ „Hast du eine Ahnung.
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