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Mitternachtspalast

Mitternachtspalast

Titel: Mitternachtspalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Die Kajütentür öffnete sich langsam, und ohne auf den Regen zu achten, trat eine dunkle, in einen schwarzen Umhang gehüllte Gestalt hervor und ging über die Planke, die die Männer von der Mole herangeschoben hatten. Auf festem Grund angekommen, streckte sie die in einen schwarzen Handschuh gehüllte Hand aus und deutete dorthin, wo Peake verschwunden war. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, das die Männer in dem Wolkenbruch nicht sehen konnten.
     
    Die dunkle, unheimliche Straße, die durch den Maidan Park und an der Festung entlangführte, hatte sich durch den prasselnden Regen in einen sumpfigen Morast verwandelt. Peake erinnerte sich vage daran, schon einmal in diesem Teil der Stadt gewesen zu sein, als er unter Oberst Llewelyn gegen die Aufständischen in den Straßen gekämpft hatte. Damals allerdings war es heller Tag gewesen und er zu Pferde, eine Armeeeinheit hinter sich, die nach Blut dürstete. Die Ironie des Schicksals wollte es nun, dass er dieses offene Feld überqueren musste, das Lord Clive 1758 hatte anlegen lassen, damit die Kanonen von Fort William frei in alle Richtungen schießen konnten. Nur dass diesmal er der Gejagte war.
    Der Leutnant rannte verzweifelt auf die Bäume zu, während er die heimlichen Blicke stummer Beobachter spürte, nächtliche Bewohner des Maidan, die sich in der Dunkelheit verbargen.
    Er wusste, dass niemand versuchen würde, ihn zu überfallen und ihm den Umhang oder die Kinder zu entreißen, die in seinen Armen weinten. Die unsichtbaren Bewohner dieses Ortes konnten die Spur des Todes riechen, die er hinter sich herzog, und keine Menschenseele würde es wagen, sich seinem Verfolger in den Weg zu stellen.
    Peake sprang über das Eisengitter, das den Maidan von der Chowringhee Road trennte, und rannte die Hauptverkehrsader der Stadt entlang. Die breite Allee folgte dem Verlauf der alten Straße, die vor knapp dreihundert Jahren durch den bengalischen Dschungel in Richtung Süden zum Tempel der Kali geführt hatte, dem Kalighat, der der Stadt ihren Namen verlieh. Das nächtliche Treiben, das sonst in Kalkutta herrschte, war angesichts des Regens erstorben, und die Stadt machte den Eindruck eines verlassenen, schmutzigen Basars. Peake wusste, dass sich der undurchdringliche Wasservorhang, der ihm in der stockfinsteren Nacht Schutz bot, genauso schnell wieder auflösen konnte, wie er gekommen war. Die Stürme, die sich vom Meer her dem Gangesdelta näherten, zogen rasch nach Norden oder Westen weiter, nachdem sie ihre reinigenden Wasserfluten über der bengalischen Halbinsel abgeladen hatten. Zurück blieben Nebelschwaden und von giftigen Pfützen überschwemmte Straßen, in denen die Kinder hüfttief im Wasser planschten und Karren feststeckten wie auf Grund gelaufene Schiffe.
    Der Leutnant lief zum nördlichen Ende der Chowringhee Road, bis er merkte, dass seine Beine zitterten und er kaum noch in der Lage war, die Kinder in den Armen zu halten. Ringsum flimmerten die Lichter von Nord-Kalkutta unter dem samtigen Regenvorhang. Peake wusste, dass er dieses Tempo nicht mehr lange durchhalten konnte und dass es noch weit war bis zu Aryami Bosés Haus. Er musste eine Pause machen.
    Er versteckte sich unter der Treppe eines ehemaligen Stoffgeschäfts, an dessen Mauern Zettel mit der offiziellen Mitteilung klebten, dass es demnächst abgerissen würde. Er erinnerte sich vage, das Gebäude vor Jahren durchsucht zu haben, weil ein reicher Händler behauptet hatte, dort befinde sich eine berüchtigte Opiumhöhle.
    Jetzt sickerte schmutziges Wasser durch die ausgetretenen Stufen. Es sah aus wie schwarzes Blut, das aus einer tiefen Wunde quoll. Das Haus wirkte leer und verlassen. Der Leutnant hob die Kinder hoch und sah in ihre erstaunten Augen. Sie weinten nicht mehr, aber sie zitterten vor Kälte. Die Decke, in die sie gewickelt waren, war klatschnass. Peake nahm ihre winzigen Händchen, um sie zu wärmen, während er durch die Ritzen der Treppe in Richtung der Straßen spähte, die rings um den Maidan lagen. Er wusste nicht, wie viele Mörder sein Verfolger angeheuert hatte, aber er wusste, dass sich nur noch zwei Kugeln in seinem Revolver befanden. Zwei Kugeln, die er so klug wie möglich nutzen musste. Die übrigen hatte er in den Tunnels des Bahnhofs verfeuert. Er wickelte die Kinder in den Teil der Decke, der am wenigsten durchnässt war, und legte sie für einen Moment in eine Mauernische des Geschäfts, wo der Boden trocken war.
    Dann zog Peake seinen Revolver und

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