Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
auf den Stall mit dem eingesunkenen Dach. Etwas Böses ging von diesem Hof aus, das spürte sie deutlich. Sie fröstelte unwillkürlich. „Ich fürchte, du wirst mir nicht sagen, was das ganze bedeutet?“
Johann blickte ihr wortlos in die Augen. Sie nickte. „Dann versprich mir wenigstens, dass wir nur so lange hier bleiben, wie es nötig ist.“
„Versprochen. Und jetzt komm, bevor wir hier draußen erfrieren.“
III
Johann schob den leeren Teller auf die Seite. Elisabeth lächelte. „Todesmutig wie immer, Johann. Die Brennsuppe hat ihren Namen nicht verdient, aber ich hab leider nicht mehr gefunden.“
Nachdem sie die Kuchl notdürftig gesäubert hatten, war Elisabeth auf die Suche nach etwas Essbarem gegangen, aber das wenige Fleisch roch bereits, und auch das Gemüse war großteils verschimmelt. Also hatte Elisabeth sich mit alten Kartoffeln und Brot beholfen.
„Sie war heiß und dick. Das reicht mir nach den Tagen im Freien. Das kalte, zähe Fleisch und die Brühe aus Baumrinde und Wurzeln stehen mir schon bei den Ohren heraus“, antwortete Johann.
„Seid’s froh, dass wir es überhaupt geschafft haben“, sagte der alte Mann. „Eigentlich müssten wir tot sein. So wie all die anderen.“
Schweigen folgte diesen Worten. Der Wind zog pfeifend durch die Ritzen des alten Hauses, ließ Holz knarren und das Küchenfeuer flackern.
Der alte Mann blickte Johann an. „Wie lange willst du hier bleiben?“
„So lange, bis die schlimmsten Wintertage vorbei sind. Wir schaffen es nicht weiter, allein würde ich vielleicht durchkommen, aber zu dritt –“, Johann kratzte sich nachdenklich am Hals. „Ich werd in den nächsten Tagen auf die Jagd gehen, dann haben wir frisches Fleisch.“
„Bist dir sicher, dass der Bauer nicht zurückkommt?“
„Ganz sicher“, sagte Johann grimmig. „Ich hab aber trotzdem die Balken geschlossen und die Tür verriegelt.“
„Gut.“ Der alte Mann lehnte sich zurück, holte eine verbogene Pfeife heraus und stopfte sie mit langsamen Bewegungen. Dann nahm er einen glimmenden Span aus dem Herdfeuer und zündete sich die Pfeife an. Ein angenehmer Duft aus Tabak und Kräutern breitete sich in der Kuchl aus.
Die drei schwiegen. Sie hatten schon auf ihrer Flucht nicht viel geredet, hatten nicht erwähnt, was hinter ihnen lag. Was vor allem an dem alten Mann lag, der sich geweigert hatte, über die Geschehnisse zu sprechen.
Schließlich unterbrach Elisabeth die Stille. „Großvater, ich hab dir eine Kammer im oberen Stock hergerichtet. Es sind genug Decken oben, und am Herd steht eine Pfanne mit Kohlen für das Bett. Es ist eiskalt im ganzen Haus.“
„Dank dir, Kinderl. Wo schlaft – ihr?“ Die Pause sagte genug.
„Hier herunten ist eine Kammer mit zwei Betten. Sonst ist im Haus fast nichts zu gebrauchen, wir müssen die Stube erst herrichten und den Ofen wieder einheizen“, antwortete Elisabeth und errötete leicht.
„So, so, zwei Betten …“ Dem alten Mann entschlüpfte ein Lächeln. Er klopfte die Pfeife am Rand des Herds aus und steckte sie ein. „Allerdings –“, Johann und Elisabeth blickten ihn fragend an. „Wenn’s so kalt ist, wärmt man sich schneller, wenn man sich aneinander drückt. Aus der Not eine Tugend machen, sozusagen.“ Der alte Mann räusperte sich und lächelte verschmitzt. „Dann gute Nacht, Kinder. Und – Johann …“
„Ja?“
„Danke, dass du uns in Sicherheit gebracht hast. Danke für alles.“ Auf einmal standen Tränen in seinen Augen.
Elisabeth ging schnell auf ihn zu. „Großvater –“
Er machte eine abwehrende Handbewegung. „Schon recht, Kinderl. Erinnerungen, das ist alles. Die kann man halt nicht so einfach hinter sich lassen.“
„Wird schon werden, Großvater. Wirst sehen.“
Der alte Mann nickte. Er bückte sich unter den Tisch und streichelte Vitus, der sich behaglich zusammengerollt hatte und schlief. Dann nahm er die Pfanne mit den glühenden Holzstücken, gab Elisabeth einen Kuss auf die Stirn und verließ die Küche.
Johann ging zu Elisabeth und umarmte sie. Sie erwiderte seine Umarmung, er küsste sie sanft. „Alles wird gut, Elisabeth. Schon bald.“
„Dafür bete ich jeden Tag. Und für uns drei.“
„Tu das. Denn mich wirst nicht mehr los.“ Johann grinste.
Sie gab ihm einen Klaps und lächelte schelmisch. „Wer weiß, ob ich dich behalte. Bist ja nur ein Schmied.“
„Frech und aufmüpfig. Das werd ich dir austreiben. Am besten gleich jetzt.“ Er sah ihr in die Augen. Elisabeth
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