Mord mit kleinen Fehlern
synchron wandten ihre Gesichter sich Anne zu, als sie den mit Teppichboden ausgelegten Gang hinunterschritt.
Gerichtsdiener in blauen Blazern unterbrachen ihre Unterhaltung über die Prozesslisten, männliche Gerichtsbedienstete rückten ihre neuen Krawatten zurecht, und eine weibliche Gerichtsstenografin warf ihr über die Steno-Maschine giftige Blicke zu. Anne hatte sich an diese Reaktionen gewöhnt: Männer bewunderten sie, Frauen hassten sie. Dennoch war sie - in der rothaarigen Dickköpfigkeit - der rein weiblichen Kanzlei ROSATO & PARTNER beigetreten, aber das war ein andere Geschichte.
Sie trat an den Tisch der Verteidigung, legte Aktenkoffer und Umhängetasche ab und sah hinter sich. Ein junger Mann in einem hellen Sommertrenchcoat saß wie verabredet in der ersten Reihe am Gang, direkt hinter ihr. Anne nickte ihm verstohlen zu, dann setzte sie sich, öffnete den Aktenkoffer und nahm eine Kopie ihrer Eingabe heraus. Die Eingabe und der junge Mann am Gang waren Annes neueste Idee. Chipster.com wa r ih r erste r große r Mandan t bei ROSATO , un d Gil . Marti n hatt e si e verpflichtet , wei l sie einande r sei t de m Jurastudiu m kannten . Si e hatt e sic h noch ni e a n eine m Fal l diese r Größ e versucht . Z u Anfan g fragte si e sich , o b si e sic h nich t übernomme n hatte . Dan n ka m sie z u de m Schluss , das s da s tatsächlic h de r Fal l war , un d hört e auf , sic h ständi g dies e Frag e z u stellen.
»Alles Gute zum vierten Juli!«, flüsterte eine Stimme in ihr Ohr, und sie sah auf.
Matt Booker war ein Jahr älter als die achtundzwanzigjährige Anne. Er trat vor sie, mit dunklen, welligen Haaren, hellblauen Augen und Wimpern, die so dicht waren, dass sie an einem Mann die reinste Verschwendung schienen. Anne hätte sich von ihm durchaus angezogen gefühlt wäre er nicht der Anwalt der Gegenseite gewesen. Matt repräsentierte in diesem Fall die Klägerin, eine Programmiererin namens Beth Dietz, und ihren Ehemann Bill, der als Nebenkläger auftrat. Anne hatte in dem einen Jahr, das sie nun schon in Philadelphia war, keine einzige Verabredung gehabt, doch Matt Booker war der erste Mann, der sie in Versuchung führte. Wirklich und wahrhaftig in Versuchung führte, aber der Vertreter der Gegenseite war absolut tabu.
»Verschwinde«, sagte sie, aber Matt beugte sich noch tiefer zu ihr hinunter.
»Ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich dich heute nicht fragen werde, »Ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich dich heute nicht fragen werde, ob du mit mir ausgehst.« Sein Flüstern duftete nach Crest. »Du hast mich 329-mal abgewiesen, und ich entdecke langsam ein Muster dahinter. Klopf mir einfach auf die Finger, wenn ich in Versuchung kommen sollte, dich nochmal zu fragen.«
Anne errötete. »Matt, ist dir je der Gedanke gekommen, dass du gerade im Begriff bist, mich sexuell zu belästigen - und das bei einem Fall von sexueller Belästigung? «
»Komm schon, meine Annäherungsversuche sind dir doch ganz willkommen, oder etwa nicht? Ein wenig zumindest?«
Anne antwortete nicht. Sie musste eine Entscheidung fällen. Es war sehr lange her, seit sie zum letzten Mal jemandem vertraut hatte. Aber sie kannte Matt nun schon fast ein Jahr, seit die Klage in diesem Fall eingereicht worden war. Er war ein zäher Brocken mit reichlich Selbstbewusstsein, und das wusste sie an einem Mann zu schätzen.
»Ein wenig? Ein klitzekleines bisschen bis überhaupt nicht? « Mit einer Hand stützte Matt sich auf dem polierten Tisch ab, und Anne beschloss, es darauf ankommen zu lassen.
»Ist gut. Sobald die Verhandlung vorüber ist, gehe ich mit dir aus. Aber erst danach.«
»Ehrlich?« Matts Stimme brach. Wie süß!, fand Anne. Er trat immer so neunmalklug auf, dass es jetzt den Anschein hatte, als hätte sein glatter Anstrich einen Riss abbekommen. »Anne, hast du etwas eingenommen?«
»Nein.«
»Würdest du diesbezüglich eine eidliche Erklärung unterschreiben? «
»Mach dich jetzt aus dem Staub.« Anne sah sich ihre Unterlagen an. »Ich bereite mich gerade darauf vor, dir gehörig in den Hintern zu treten.«
»Und was ist, wenn ich diesen Fall gewinne?«
»Unmöglich. Erstens bist du im Unrecht, und zweitens hast du es mit mir zu tun.«
»Wie du dich vielleicht erinnerst, habe ich den letzten Antrag auf Zulassung eines Beweismittels gewonnen.«
»Das war nur eine Schlacht, nicht der Krieg.« Anne warf den Gerichtsdienern über ihre Papiere hinweg einen
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