Mordsschock (German Edition)
geeignetes Werbeumfeld. Die wirtschaftlichen Konsequenzen lagen auf der Hand.
„Warum haben Sie ihr nicht gleich eine Wäscheklammer mit Gebrauchsanleitung in den Ausschnitt geklemmt?“, erkundigte sich unser Herausgeber sarkastisch.
„Sex sells!“, erwiderte ich mit schiefem Lächeln.
Das war zu viel! Der Boss setzte seine getönte CK ab! Ein Skandal! Solange es den Verlag gab, hatte er sich nie ohne diese Gläser gezeigt. Ich zuckte erschrocken zusammen. Froschaugen! Die liefen ihm jetzt über, das verlangte ein Opfer. Ich sprang über die Klinge!
Mühsam beherrscht, steckte ich das Schreiben mit meiner fristlosen Kündigung ein. Nur keine Tränen! Die Fernseher in den WC-Räumen waren das einzig Gute an dem Job , dachte ich trotzig. Mit meiner Coolness war es jedoch nicht weit her. Auf wackeligen Beinen, den Kragen meiner schwarzen Lederjacke so hochgezogen, wie es nur irgendwie ging, schlich ich verklemmt davon. Nur niemandem begegnen!
Edith, die 68er-Rockerbraut vom rotgepolsterten Samtthron im Empfang, rief mir ahnungslos ein lässiges „Bye“ hinterher.
Dann stand ich draußen. Über mir leuchtete die neonfarbene Lichtreklame ‚Hip – Szenemagazine‘.
Ich lief zum Fähranleger, warf mich auf eine eiskalte Bank und heulte dicke Tränen in die schlafende Alster.
Lila öffnete mir die Tür wider Erwarten nicht im geknoteten Geschirrhandtuch, sondern im blau gepunkteten Overall.
Mein Tränenfluss drohte, ihre winzige Wohnung unter Wasser zu setzen.
Sie knutschte mich, ließ meine wüsten Schimpftiraden geduldig über sich ergehen, wischte mir mit einem Taschentuch quer übers verheulte Gesicht und drängte mir irgendein selbstgemixtes Zeug auf. Es schmeckte nach faden Gummibärchen, zischte wie Feuer durch meinen Schlund und betäubte den Schmerz etwas.
„Du musst mir versprechen, alle Geschirrhandtücher, die du hast, zu verbrennen“, ächzte ich mit schwerer Zunge. Mein Magen rebellierte. Instinktiv bereitete ich mich auf einen schnellen Toilettengang vor.
Lila reichte mir einen Spiegel. „Guck mal!“
Ein rot-blau-schwarz-gestreiftes Antlitz mit geschwollenen Augenlidern starrte mich an. Reif für eine komische Zirkusnummer.
„Klasse, oder? Als ob dir einer mit einem Pinsel die Farbe exakt im Gittermuster aufgetragen hat.“
„Du witterst nicht etwa einen Trend“, fragte ich entsetzt und wischte eilig die traurigen Überreste meiner Schminke weg. „Nie mehr höre ich auf dich!“ Ich tobte wie ein dickköpfiges Kind und trampelte zur Bestätigung mit den Füßen auf ihre Kuhfellimitate, die als letzter Schrei überall in der Wohnung auslagen. Sie konkurrierten mit den gleichgemusterten Sesseln, an deren Lehnen Hörner baumelten.
Lila strich sich durch die raspelkurzen, blau getönten Haare und blies den schwarzen Lack ihrer Fingernägel trocken. „Ich kann nichts dafür, wenn dein Chef so out ist. Ich dachte, du arbeitest für ein Szene-Magazin?“
Ich drehte mein Glas zwischen den Fingern und ärgerte mich, dass ich Lila im Grunde nicht mal zum Sündenbock machen konnte. Wie ich es auch wendete – schuldig blieb ich! Mein Selbstmitleid verwandelte sich langsam in Selbstkritik. Und das ist das Schlimmste, was einem passieren kann!
„Ich weiß nicht, was ich machen soll! Ich brauche das Geld! Und Vic schmort weiter bei Sophie. Dabei fetzen die sich gegenseitig die Haare vom Kopf! Immer dreht sich alles nur um die Scheißkohle!“
Lila tat das einzige Vernünftige in dieser Situation: Sie schleifte mich ins Tabaluga , eine unserer Stammkneipen, wo wir mit Jenny, Julian und Hendrik mein Fiasko begossen.
Beim vierten Bier bekam Julian eine Erleuchtung, was bei ihm so gut wie nie passierte. Bedächtig legte er mir einen Arm um die Schulter und rückte minutenlang näher, räusperte sich, öffnete den Mund zum Sprechen, ließ die Zähne zur Probe ein paar Mal kreisen, rollte die Zunge dazwischen und hüstelte. „Also, weißte, hm … Ich glaube, ich hätte da eine Idee. Hm ...“
„Unfassbar!“, unterbrach ihn Lila ungeduldig.
Julian wandte sich Hendrik zu. „Du hast mir doch von deinem Cousin erzählt ...“
Jetzt mischte sich unser schicker Vorzeigeyuppie Hendrik ein: „Ja, das könnte was sein! Mein Cousin ist auch Redakteur. Er hat gerade gekündigt, weil er ins Ausland gehen will. Ruf mal in dem Verlag an, ob die Position frei ist!“
Ich zog einen Flunsch und zickte. „Das war sicher nicht gestern, sondern vor drei Wochen, und die Stelle ist längst wieder
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