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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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einschätzen.
    Gottschalk fand auf dem Boden, die Klosettschüssel umarmend, das grüne Gesicht auf dem weißen Porzellanrand, den Rittmeister von Tresckow. Als Gottschalk fragte, ob er helfen könne, antwortete Tresckow: Danke, Kamerad. Er hob nicht einmal den Kopf.

    In Gottschalks Tagebuch finden sich von der Zeit der Überfahrt fast nur die täglichen Vermerke über Längen- und Breitengrade, dazu stereotype Angaben zum Wetter: trüb, bedeckt, sonnig, regnerisch. Nur an drei Tagen sind etwas ausführlichere Eintragungen gemacht worden:

    Tagebucheintragung Gottschalks vom 8. 10. 1904
    Wendekreis des Krebses. An Deck wurden Sonnensegel aufgeschlagen. Überall sind Pferdehaare. Die Tiere verlieren infolge des Klimawechsels ihr Winterfell.
    10. 10.
    Nachts, gerade über der Kimm, das Kreuz des Südens. Der Wunsch, allein zu sein, statt dessen abgezirkelte Gespräche in der Messe. Ein Gefühl, als sei man innerlich verschnürt. W. hält sich einfach fern.

    13. 10.
    Das Schiff passierte den Äquator. Mittags um 12 Uhr konnte man seinen Schatten, wenn man stand, mit einer Mütze bedecken.
    Wenstrup, der sich einen Vollbart stehen läßt, mußte sich anläßlich der Äquatortaufe von einem Gehilfen Neptuns (dargestellt vom Sergeanten Ro. einem alten Schutztruppler) mit einem gewaltigen Holzmesser rasieren lassen.
    Wenstrup machte dazu ein todernstes Gesicht, als würde ihm gleich der Kopf abgeschlagen. Alle lachten. Auch ich.

    Einmal fragte Wenstrup Gottschalk, warum er sich freiwillig nach Südwest gemeldet habe. Gottschalk gab darauf die Antwort: Das habe verschiedene Gründe.

    Eine Fotografie: Gottschalk sitzt in einer abgetragenen Khakiuniform, eine Schirmmütze auf dem Kopf, vor einem Trainwagen. Von dem mannshohen Holzrad sieht man rechts im Bild vier Speichen. Den linken Arm hat Gottschalk auf einen Holztisch gelegt. Auf diesem Tisch liegen: eine Feldflasche, Papierbögen, Bleistifte, ein Taschenmesser und ein Wachstuchheft (sein Tagebuch). Dunkle Augen, ein dunkler Bart, den er sich offenbar erst einige Tage hat stehenlassen, ein sanft geschwungener Mund. Ein Erinnerungsfoto für die zu Hause in Glückstadt, so hat er sich für den Fotografen hingesetzt. Man könnte glauben, daß er, in die Kamera blickend, die Luft anhält.
    Was ist eigentlich Ihr Vater, fragte während des Abendessens Leutnant von Schwanebach.
    Kolonialwarenhändler.
    Am Tisch wurde gelacht. Man glaubte, Gottschalk habe sich einen Witz erlaubt.
    Die Waage hing von der Decke über dem Ladentisch. Wenn sein Vater 100 Gramm Safran auswog, benutzte er dazu Kupfergewichte, die in verschiedenen Größen wie kleine Töpfe ineinandersteckten. Was für den kleinen Gottschalk unverständlich war, daß all die Datteln, Feigen, Trockenbananen und Mandeln nicht einfach gegessen werden konnten, wenn man darauf Lust hatte. (Was ihm dann auch seine Spielkameraden nie glauben wollten.) Seine Mutter mußte erst mit seinem Vater verhandeln, wenn sie zum Kochen etwas brauchte. Über die entnommene Menge wurde Buch geführt. Es gab eine unsichtbare Grenze zwischen dem Laden und der Wohnung im ersten Stock, die man nur über eine schmale Treppe vom Laden aus erreichen konnte. Für unten galten andere, strengere Gesetze als für oben, und sie waren dem kleinen Gottschalk drastisch eingebleut worden, nachdem er sich einmal eine Handvoll Mandeln aus einem Glas im Regal genommen hatte. Was hier im Laden in Gläsern, Säcken und Kisten stand und lag, wartete allein darauf, irgendwann einmal ausgewogen zu werden, um dann, gegen Münzen, den Besitzer zu wechseln. Die Familie schien vom Warten zu leben.

    Am 11. Oktober ankerte die »Gertrud Woermann« in Monrovia. Ein Botschaftssekretär kam an Bord mit der Nachricht, in Südwest hätten sich auch die Hottentotten erhoben. Das ist dann gleich ein Abwasch, sagte ein Oberleutnant.
    Fünfzehn Kruneger wurden an Bord genommen. Sie sollten, wenn der Dampfer Swakopmund erreicht hatte, die Soldaten an Land paddeln. Oberarzt Haring erhielt den Befehl, die Neger, die sich auf dem Vorschiff einrichten mußten, zu untersuchen.
    Genaugenommen eine Arbeit für unsere beiden Veterinäre, sagte Leutnant Schwanebach. Alle lachten, nur Wenstrup nicht. (Dr. Haring: Der Mann hat etwas Humorloses.) Gottschalk fand, daß er selbst viel zu laut mitgelacht hatte. Genaugenommen war ihm zum Lachen gar nicht zumute gewesen.

    Sechs Tage später erreichte der Dampfer Swakopmund. Nachts hörte Gottschalk ein lautes Klatschen und dann das Schurren

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