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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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zu machen. Heute hatte er sie ausgelassen, zum zweiten Mal in dieser Woche. Am Donnerstag war es die Ermordung von Albin Studer gewesen, heute war es Stahls Ankunft, die ihn hinderten, sich in Ruhe und Hingabe dem aufsteigenden Prana zu widmen. Er ahnte, dass sich das rächen würde. Vor allem, wenn er sich in dem Schuppen umsah, in den ihn Stahl beordert hatte. Säufer und Nutten, wohin man sah. Und viele leere Plätze.
    Er hatte die Langstrasse noch nie gemocht. Sie gehörte für ihn nicht zu Zürich, sondern zur Dritten Welt. In seinem Boss-Anzug und der dunkelblauen Krawatte kam er sich vor wie ein saftiges Steak inmitten eines Hyänenkäfigs. Gleich würden sie ihn beschnuppern. Erst die Nutten, dann deren Zuhälter. Sein Geld war er so oder so los. Hauptsache, er kam mit dem Leben davon. Was bildete Stahl sich ein, ihn hierherzubestellen. Und warum war er so blöde gewesen, dieser Aufforderung zu folgen? Überhaupt war es ein Witz, dass Stahl entschied, wo man ass. Immerhin war Palm der Auftraggeber. Aber Stahl hatte diese Art, der Palm nicht widerstehen konnte. Er war Stahl ausgeliefert. Sie hatten ihn im Vatikan nicht nur an den Waffen geschult, sondern auch in listiger Diplomatie und schwarzer Rhetorik. Als hätte ihn Benedikt selbst unter der Fuchtel gehabt. Sicher aber war, dass er Studers Schüler war. Und dass Studer mit allen Wassern gewaschen gewesen war, war kein Geheimnis. Dass ihn aber ausgerechnet ein Junkie mit einer Boule-Kugel erschlagen haben sollte, mochte glauben, wer wollte. Aber es war die einfachste Lösung für alle. Der Vatikan hatte keine Lust auf eine grössere öffentliche Geschichte, die Zürcher Polizei gab sich mit dem Junkie zufrieden, dessen Fingerabdrücke man auf der Kugel gefunden hatte. Nur ein Geschäftsmann aus Zug, der Palm einen Anwalt in die Kanzlei geschickt hatte, glaubte nicht an die einfache Lösung. Deshalb sass Palm nun hier und wartete auf Stahl. Und wegen Alfred.
    «Was trinkst du?», fragte eine Kellnerin in knappen Höschen und mit einem geschwollenen Auge, das durch den dunklen Teint ihres Gesichtes nicht blau, sondern violett schimmerte.
    «Ich warte noch auf jemand.» Palm spielte auf Zeit. Er sah nicht ein, warum er etwas bestellen sollte, wenn er sich noch nicht einmal sicher war, ob Stahl hier überhaupt auftauchen würde. Vielleicht hatte er ihn nur zum Scherz hierherbestellt.
    «Die Mädchen warten auch», sagte die Kellnerin und deutete mit dem Kopf zu einigen Frauen, die gelangweilt rauchten und auf Kundschaft hofften.
    Palm hatte nichts gegen bezahlte Liebe. Auch er genehmigte sich hin und wieder ein Mädchen. Das lag allerdings zwei Preisklassen höher und gehörte einem Escort Service an. Man konnte sogar mit ihnen in die Oper gehen und sie vor Geschäftspartnern als aktuelle Beziehung ausgeben. Aber was er hier sah, sprach ihn überhaupt nicht an, es schauderte ihn. Wenn die ihn erst einmal in den Schwitzkasten nahmen, wäre es mit den Bandscheiben ein für alle Mal vorbei.
    Palm blickte nervös auf die Uhr. Es war bereits zehn nach eins. Ein geplatztes Cordon bleu ging an den Nebentisch. Der Käse quoll eitrig aus der Panade. Bevor sich eine der Ladys an seinen Tisch setzte, bestellte er sich lieber auch ein Cordon bleu. Übler konnte ihm davon auch nicht werden.

    Stahl sah sich um, als er das «Rothaus» verliess. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Berufskrankheit? Konnte gut sein. Von Anfang an hatte ihn Albin darauf getrimmt, wachsam zu sein. Aber warum sollte ihn jemand beschatten? Er war nur gekommen, um einem alten Freund die letzte Ehre zu erweisen. Ein Mann mit einem grauen Mantel und einer Sonnenbrille fiel ihm auf. Er stand an der Bushaltestelle und las im «Sonntagsblick». Stahl wartete, da der Bus gerade kam. Er verdeckte den Mann. Dann fuhr er weiter. Der Mann war verschwunden.
    Stahl sah auf seine Uhr. Eine kleine Verspätung würde ihm Palm wohl verzeihen. Albins Wohnung lag um die Ecke, an der Engelstrasse 88. Stahl wollte wissen, wie sein alter Mentor gelebt hatte. Fünf Jahre lang hatte er nichts mehr von Albin gehört. Er hatte dem Veteranen immer wieder geschrieben; nicht nur per E-Mail, auch postalisch. Aber Albin hatte nie darauf geantwortet. Vor zwei Jahren hatte Stahl dann weitere Versuche unterlassen. Vielleicht hätte er sich mit Albins Schweigen nicht zufriedengeben dürfen. Ja, er hätte nach Zürich fahren und Albin fragen sollen, warum er schwieg. Stahl machte sich jetzt Vorwürfe, aber er hatte auch

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