Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Erstes Buch
    Er nahm das Kinn hoch, um dem gleißenden Licht der Fernsehscheinwerfer auszuweichen. Die Menschen dort unten konnte er kaum erkennen, nichts nahm er wahr als schattenhafte Reihen, eine hinter der anderen gestaffelt, bis zum Ende der riesigen Halle. Er kniff die Augen zusammen und drückte mit den Fingerspitzen gegen die Schläfen, als könne er so das pochende Räderwerk in seinem Schädel dämpfen. Doch es half nichts. Es waren die beschissenen Scheinwerfer. Es war die Fahrt. Es war der ganze Wahnsinn hier.
    »A UF - HÖREN ! A UF - HÖHEN ! – A BPFIFF !«
    Wie in Wellen kam es aus der Halle hoch, drang von den hinteren Reihen nach vorne, füllte bald den ganzen riesigen Raum.
    Aber Wegner, dieser Idiot, machte einfach weiter. Sein »Wäre gut, wenn Sie mich ausreden ließen« brachte die Menge noch mehr in Rage. Wegner ratterte Fakten herunter, lieferte seine Zahlen – trocken wie der Erbsenzähler von Buchhalter, der er nun mal war: Internationale Rezession, Auftragseinbrüche in allen Bereichen, Neustrukturierung der Stahlwirtschaft unter europäischen Gesichtspunkten. Die Spanier, die Italiener, die Portugiesen, die die Brüsseler Subventionen abschöpfen – ja, und dann die Pleite mit der Stornierung des Libyenauftrags, und überhaupt die Lage im Nahen Osten, dazu noch die Konkurrenz der asiatischen Billigproduzenten – leiert und leiert und könnte es doch besser bringen, hat aber keine Lust, und das merken sie natürlich und fangen schon wieder an zu brüllen.
    »H ALT DIE K LAPPE !«
    Dieter Reissner nickte insgeheim zustimmend.
    »L ÜGNER ! B E - TRÜ - GER !«
    Den Tisch hatten sie auf die Hebebühne gestellt. Vier Bohlenbretter auf ein paar Böcken, darüber ein grünes Tuch. Rechts und links, wo zwei Eisentreppen zum Hallenboden führten, standen die Leute vom Werkschutz. Und irgendein Witzbold hatte tatsächlich ein Zitronenbäumchen aufgetrieben. Als sei dies eine Hochzeit und keine Beerdigung.
    »A UF - HÖREN ! A UF - HÖREN ! A B - PFIFF !« – Es kam von den hinteren Reihen nach vorne, rhythmisch, flog ihnen um die Ohren, füllte bald die ganze Halle.
    »Hören Sie! So geht das ja nun wirklich nicht«, nahm Wegner einen neuen hilflosen Anlauf. »Ich will Ihnen doch nur …«
    »V ERBRECHER – W ESSI - SCHWEINE – P LATTMACHER !«
    Ja, es rollte heran wie die Brandung, klang nach Gewalt, hämmerte, pulsierte, ließ die vier Stockwerk hohe Eisenkonstruktion bis hinauf zu den Dachstreben vibrieren, schmerzte in seinen Ohren: »P LATTMACHER ! … S PEKULANTEN ! … L ÜGNER ! … B ETRÜGER ! …«
    Dieter Reissner legte jetzt den Kopf in den Nacken, um dem gleißenden Licht zu entgehen. Er blickte an den Konvertern hoch, hinauf zu den gewaltigen Gebläserohren, den eisernen Laufkatzen, und sie schienen zu zittern, zu schwanken.
    Cool bleiben? Was nützt es jetzt? Er dachte an Linder, sein Lapidares: »Ich weiß, daß es schwierig werden wird. Aber das schaffen Sie, Dieter! So was haben Sie immer geschafft. Keiner hat bei derartigen Aufträgen so gute Nerven bewiesen wie Sie …«
    Nerven? Was nützen dir Nerven? Und wo sind sie jetzt? Nein, nichts hilft gegen den Schweiß, den er auf einmal am Rücken spürt, auf dem Haarboden, unter den Augen; nichts gegen die Scheißkameras, gegen diese Dreckstypen von Journalisten, Aasgeier, Hyänen, jawohl … Wo's stinkt, da triffst du sie an.
    Und hier stinkt's.
    »Halt doch endlich die Klappe, Fettsack!«
    Es war immer derselbe, der den Anführer spielte. Ein Zweizentnerbrocken. Reissner konnte ihn jetzt deutlich erkennen. Wenn er brüllte, nahm er die Hände vors Gesicht, als ob man ihn nicht auch so hören könnte.
    Und wieder hörte er Linders Stimme:
    »Kommen Sie Dieter, Sie müssen da hin. Diese Betriebsschließung ist notwendig wie ein chirurgischer Schnitt. Und Sie wissen es! Ich baue auf Sie – wie immer …«
    Dieser Dreckskerl wärmt sich jetzt den Arsch in seinem Vorstandssessel. Wieso hockt er nicht hier oben? Aber nein, er wartet in seinem feinen Büro, bis er den Bericht kriegt, daß alles ›in die Reihe gebracht‹ worden ist. Aber hier gibt's nichts mehr in die Reihe zu bringen.
    Das lange Stativ des Tongalgens wurde jetzt wieder nach links zum Arbeitgebertisch geschwenkt.
    Wegner schaltete das Mikro ab. Er schien zu kapitulieren. Die Menge dort unten übernahm.
    »S ACHSEN -S TAHL WIRD LEBEN !« kam es aus der Halle. Sprechchöre wie Schläge. Revolution haben sie nur einmal geübt, dachte er. Jetzt proben sie den

Weitere Kostenlose Bücher