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My Story - Streng geheim - Traumtaenzer gesucht

Titel: My Story - Streng geheim - Traumtaenzer gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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1. One day I’ll fly away (Moulin Rouge)
    S eufzend ziehe ich Legwarmer über die abgetanzten Spitzenschuhe und gehe in meine Folterkammer, den großen Saal. Er ist hell, hat einen Schwingboden und drei rundherum verspiegelte Wände. Gnadenlos nackte Wände mit einem einzigen Extra: die hüfthoch umlaufende Holzstange, seidig glatt geschmirgelt von tausend feuchten Händen.
    Dort steht sie schon, die Ex-Primaballerina Ivana Lake, klatscht ungeduldig in ihre Hände und scheucht mich an die Stange. »Un, deux, trois...« Mit Argusaugen überwacht sie jedes Plié, sieht auch noch die kleinste Schlaffheit im Rücken, zwingt mich, die Füße stärker und stärker zu strecken. Innerhalb von zehn Minuten fühlt sich meine Haut feucht an, eine Stunde später ringe ich nach Luft und bin völlig durchgeschwitzt.
    Â»Arabesque!«, kommandiert sie, »das Bein höher. Achte auf dein Port de bras...«
    Ihre Stimme verschwimmt in meinem Kopf, während mein Körper die gewohnten Übungen automatisch ausführt und ich darüber nachdenke, wie ich nach dieser unendlich peinlichen Begegnung von vorhin auch nur den nächsten Schultag überleben soll.
    Es ist nicht so, als ob mir alles und jedes peinlich wäre, wirklich nicht! Außer es geht um Ivana Lake...Die ist nämlich
nicht nur eine ehemalige Berühmtheit, sondern leider auch meine Mutter und bringt mich dauernd in Situationen, die ich nur überlebe, weil ich so tue, als würden sie jemand anderem passieren und nicht mir.
    Bedauerlicherweise hat dieser Trick vorhin nicht funktioniert.
    Â»Den Po nicht so weit rausstrecken«, Mama klopft mit ihrem kleinen schwarzen Stock sacht auf meinen Allerwertesten, »die Position sauber halten, konzentrier dich!«
    Ich tue, was sie verlangt. Mama war schon vor dem schrecklichen Unfall anders als andere Mütter, und mir ist klar, dass sie mich damit nicht ärgern will oder es böse meint. Trotzdem gibt es Momente, in denen ich mir eine »normale« Mutter wünsche, so eine wie die von Ix. Oder wenigstens eine, die nicht diesen Französisch-Fimmel hat und von mir »Mamohhn«, also französisch Maman, gerufen werden will, was ich aber nie mache. Denn sie nennt mich auch nicht Nele, sondern Margot-Emanuelle.
    Denn so heiße ich leider: Margot-Emanuelle. Margot nach Margot Fonteyn, der berühmten Ballerina, und Emanuelle nach Mamas Tante, die dafür gesorgt hat, dass Mama Primaballerina werden durfte.
    Leider konnte sich mein Vater nicht durchsetzen; der hatte nämlich dafür plädiert, mich schön schlicht nach der großen Anna Pawlowa zu nennen. Pech!
    Wenn Mama etwas will, dann lässt sie sich von niemandem davon abbringen. Bestimmt zählt das auch zu den vielen wichtigen Voraussetzungen, um als Primaballerina so erfolgreich zu werden wie sie. Doch obwohl ich meine Mutter liebe, machen es mir diese Ivana-Lake-Eigenheiten manchmal schwer, meine Mutter zu mögen.
    Neben ihr fühle ich mich unsichtbar. Wenn wir beide vor
einer grauen Wand stünden, dann würde man meine Mutter nicht nur wegen ihrer Schönheit und den flammend rot gefärbten Haaren sofort wahrnehmen, sondern einfach weil sie da ist. Ich hingegen wäre sofort eins mit der Wand, grau vor grau, unsichtbar.
    Â»Margot-Emanuelle, was ist heute bloß los mit dir?« Ivana Lake schüttelt ihre rote Mähne. »Den Bauch fest, jetzt die Sprünge, und eins... und...«
    Vielleicht ist es ihre Absolutheit, die man da spürt, denn für sie ist alles entweder gaaanz wundervoll oder gaaanz schrecklich. Außerdem ist sie gnadenlos ehrlich. Das klingt eigentlich gut, aber jetzt mal Hand aufs Herz: Wer erwartet auf die harmlose Frage: »Wie findest du mein neues Kleid?« eine Antwort wie: »Es macht deinen Hintern noch dicker und die Farbe erinnert mich an Erbsenkotze«? Genau das hat Mama wirklich zu unserer Nachbarin gesagt, die seitdem nicht mehr zum Kaffee vorbeigekommen ist. Trotzdem hat Mama Freundinnen. Es gibt tatsächlich Leute, die ihre Offenheit zu schätzen wissen.
    Mir dagegen fällt das manchmal schwer. Als ich im Sexualkundeunterricht in Bio ein Referat über das Thema »Geburt« halten musste, habe ich sie nach langem Überlegen gefragt, wie das denn damals so bei mir war. Böser Fehler!
    Mama hat nämlich keine Sekunde gezögert, mir schonungslos offen zu erklären, was für ein Schock es für sie

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