Mylady Adelshochzeit 01
erklärte den Namen ihres Herrensitzes, denn Mandeville war eine jamaikanische Stadt, wie er wusste. „Dann halten Sie gewiss auch Sklaven?“
„Der Sklavenhandel ist ungesetzlich, Lord Amerleigh“, sagte sie, den entsetzten Blick der Countess gewahrend, der es sichtlich unangenehm war, dass ihr Sohn es wagte, ein solches Thema anzusprechen.
„Der Sklavenhandel wohl, aber nicht der Besitz.“
„Das stimmt. Dennoch würden wir ohne die Arbeiter auf den Plantagen weder Zucker, Tabak noch Baumwolle haben. Das wäre desaströs für die britische Wirtschaft.“ Sie fragte sich, warum sie ihm nicht sagte, dass sie den Sklaven auf ihrer Plantage längst die Freiheit geschenkt hatte, statt wie ein Papagei die Argumente zu wiederholen, die ihr Vater ihr auf ihre Fragen zu diesem Thema als Antwort gegeben hatte. Aus Trotz, vermutete sie, und dem reinen Mutwillen, ihm zu widersprechen.
Er lächelte sie an, als wüsste er genau, worauf sie aus war. Die Vorstellung, sie sei so leicht zu durchschauen, beunruhigte sie. „Waren Sie schon einmal auf Jamaika, Mylord?“, fragte sie rasch.
„Nein, noch nie.“
„Vielleicht sollten Sie einmal dorthin reisen.“
„Eines Tages vielleicht. Ist es dort nicht unangenehm heiß?“
„Ich glaube, das Klima ist nicht schlimmer zu ertragen als die Hitze in Spanien.“
„Wahrscheinlich nicht“, stimmte er zu. „Man gewöhnt sich vermutlich daran. Dennoch ist es schön, wieder das milde Klima Englands genießen zu können, finden Sie nicht auch?“
„Oh, ganz gewiss, besonders im Frühling.“
Schweigen breitete sich aus, und Lady Amerleigh zupfte ihren Sohn am Arm, um ihm zu bedeuten, dass sie zu gehen wünschte. „Guten Tag, Miss Cartwright.“ Er berührte wieder seinen Hut und geleitete seine Mutter zur Kutsche, um zum Dower House zurückzukehren.
„Roland, wie konntest du nur in aller Öffentlichkeit mit Miss Cartwright streiten?“, schalt seine Mutter. „Eine solche Unhöflichkeit sieht dir gar nicht ähnlich.“
„Ich habe mich wohl zu sehr von meinen Gefühlen in dieser Angelegenheit hinreißen lassen“, erwiderte er ohne Reue.
Am Nachmittag machte sich Roland mit Travers zu Fuß auf den Weg zum Herrenhaus, um die Räume zu inspizieren. „Ich kann auch genauso gut gleich nachsehen, welche Arbeiten anstehen“, erklärte er.
Mit dem großen Schlüssel, den seine Mutter ihm gegeben hatte, öffnete er die massive Eichentür und trat in die Halle. Indes hatte ihn nicht einmal das vernachlässigte Äußere des Hauses auf das vorbereiten können, was er im Inneren vorfand. Sämtliche Wertgegenstände waren verschwunden; in den Zimmern stand kaum noch ein anständiges Möbelstück, selbst Teppiche gab es nicht mehr, und an den Wänden deuteten nur noch die dunkleren Stellen auf die Gemälde, die hier einst hingen.
Wie hatte es nur so weit kommen können? Wieso hatte sein Vater dies zugelassen? Hatte er sich wirklich wegen Cartwright und einem wertlosen Stück Land in den Ruin gestürzt? Das konnte doch nicht sein. Sicher hatte seine Mutter da etwas missverstanden. Vielleicht hatte sein Vater eine unkluge Investition getätigt? Doch Mountford hätte ihn davon gewiss abgehalten? Seine Mutter hatte recht, ein Besuch beim Anwalt war unumgänglich, und je eher er ihn aufsuchte, desto besser.
Gefolgt von Travers, ging er die breite Wendeltreppe hinauf und schlenderte durch den ersten Stock, in dem sich die Schlafzimmer, die Galerie und der Ballsaal befanden. Mittlerweile hatte sich ihnen auch der Verwalter Bennett angeschlossen. Wie aus dem Nichts war er erschienen, da er es offenbar für seine Pflicht hielt, für eventuelle Anweisungen bereitzustehen.
In den Schlafzimmern roch es modrig, eine Maus huschte über das Parkett und verschwand in einem Loch. „Was um Himmels willen ist nur geschehen?“, meinte Roland leise.
„Geschehen, Mylord?“ Der alte Bennett war sichtlich aufgeregt.
„Oh, ich erwarte nicht, dass Sie das wissen“, beruhigte Roland ihn.
„Nein, Mylord, aber es bekümmert mich, das Haus in diesem Zustand zu sehen. Wir sind alle froh, dass Sie wieder hier sind. Amerleigh braucht Sie.“
Seine Worte machten Roland deutlich, dass er nicht nur nach eigenem Gutdünken walten konnte, dass es andere bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen galt, dass er Verantwortung trug für die Dienstboten, Pächter und Dorfbewohner, deren Lebensunterhalt von der Arbeit abhing, die sie, direkt oder auch indirekt, für ihn auf dem Anwesen ausführten. Wie
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