Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
berichtete vor einem Hintergrund aus
Streifenwagen, bevor ein Schwenk den Wald hinter den Häusern zeigte. Er trug eine brandneue blaue Gore-Tex-Jacke, die er vermutlich erst auf der Fahrt zum Falls Lake auf Spesen gekauft hatte; die Kapuze war zurückgeschlagen, damit sein glattes Gesicht und sein tadellos frisiertes Haar gut zur Geltung kamen, und er sprach im ernsten Tonfall eines
Berichterstatters, der am Tatort steht. Alles lag schon viele Stunden zurück, aber er musste so tun, als könnten die Verbrecher jeden Augenblick erneut auftauchen.
»Haben sie irgendwelche Details erwähnt?«, fragte ich.
Sie wirkte ziemlich aufgeregt. »Ja. Alle sagen, dass der Überfall auf die Tankstelle von zwei Männern verübt worden ist. Aber nach bisher unbestätigten Berichten könnte einer von ihnen eine Frau gewesen sein. Das FBI ist an beiden Tatorten, aber es gibt noch keinen offiziellen Bericht über den Stand der Ermittlungen.« Sarah biss ein Stück Gebäck ab und sprach mit vollem Mund weiter. »Die Blondine in dem blauen Mazda muss total verängstigt gewesen sein, wenn sie nicht
mitgekriegt hat, dass ich eine Frau bin.«
431
Ich nickte zustimmend. Andererseits musste die Polizei ihre Schlussfolgerungen daraus ziehen, dass die Hunde Sarahs Slip gefunden hatten. Nachdem sie erneut abgebissen hatte, fügte sie hinzu: »Lance ist bisher mit keinem Wort erwähnt worden.«
Das wunderte mich nicht; ich wusste, dass die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht alles preisgeben würde, was sie wusste. Vielleicht hatte sie ihn auch noch nicht entdeckt. Wichtig war vor allem, dass Sarah keinen
Polizeibeamten erschossen hatte.
Ich stand auf und trat ans Fenster. Ihre Klamotten waren jetzt wieder ziemlich trocken. »Wir müssen weiter«, erklärte ich Sarah. »Komm, zieh dich an, damit wir abhauen können.«
Sie stieg in ihre Jeans, und ich wusste, wie sie sich anfühlen würden, steif und grässlich. Sie machte ein paar Kniebeugen, um sie auszuweiten, klopfte Schmutz ab und zog ihr T-Shirt über. Als sie in ihre viel zu großen Laufschuhe schlüpfte, sah sie zu mir auf. »Wo sind unsere neuen Sachen?«
»Die hab ich vergessen. Los, komm schon!«
Wir stiegen in unseren Leihwagen, und ich setzte mich ans Steuer. Sarah achtete nicht gleich darauf, wohin wir fuhren, weil sie ihre Äpfel aß und dazu Kaffee trank, aber als ich auf die Autobahn fuhr, war klar, dass wir keineswegs in Richtung Flughafen, sondern in die Gegenrichtung unterwegs waren. Sie runzelte die Stirn. »Wohin fahren wir?«
»Fayetteville.«
Sie griff nach der Straßenkarte von North Carolina, die im Ablagefach zwischen den Sitzen lag. »Aber das liegt noch weiter von Washington entfernt! Warum Fayetteville?«
»Weil ich von hier weg in ein sicheres Gebiet will, das ich 432
kenne. Dort kann ich versuchen, meinen Kram auf die Reihe zu kriegen.« Ich hielt die Augen offen, um die Ausfahrt zur Route 401 nicht zu verpassen.
Sie war sichtlich enttäuscht. »Aber du hilfst mir, nicht wahr Nick?«
Ich gab keine Antwort.
23
Um keine Verkehrsstreife auf uns aufmerksam zu machen, hielt ich mich genau an die zulässige Höchstgeschwindigkeit, während ich auf derselben Straße wie neulich auf die Stadt zufuhr. Von der Cape Fear Bridge aus fiel mir am jenseitigen Ufer ein Parkplatz auf, der Anglern und Bootsbesitzern einen bequemen Zugang zum Wasser bot. Als wir drüben waren, merkte ich mir für alle Fälle, wo die Straße zum Parkplatz hinunter abzweigte.
Wenig später erreichten wir die Außenbezirke von
Fayetteville, die überwiegend aus Autoverkaufsplätzen und Schnellrestaurants zu bestehen schienen. »Warum Fayetteville, Nick? Was machen wir hier?« Dies war ein Aspekt Amerikas, den sie bisher nie gesehen hatte – und ihrem Gesichtsausdruck nach auch nicht sehen wollte.
»Fayetteville ist die einzige Stadt, die ich in North Carolina kenne. Ich quartiere mich hier ein, bis London eine
Möglichkeit findet, dich und mich nach England
zurückzuholen. Bevor wir wieder auftauchen können, muss die Firma diesen ganzen Scheiß mit CIA und US-Außenministerium abklären. Bis dahin müssen wir der Polizei 433
aus dem Weg gehen – überhaupt allen Leuten.«
Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel und glaubte zu sehen, wie ihre Haltung sich etwas versteifte. Das war natürlich ein Schlag für Sarah, aber der Teufel sollte sie holen, wenn sie sich etwas anmerken ließ.
Ich fuhr die Skibo Road entlang, und die Maklerfirma Century 21 sah genau so
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