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Nixenjagd

Nixenjagd

Titel: Nixenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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hätte sie sich erinnert. Es war wie ein Sonnenaufgang. Doch schon war es wieder verflogen. »Camilleri. Du magst Krimis?« Sie nickte. »Kennst du es?«, fragte Franziska. »Ja.«
    Ging es vielleicht noch einsilbiger? Wenn er nicht reden wollte, warum fragte er dann nach ihrem Buch? Erneut musste Franziska an Katrin denken. Die hätte jetzt sicher die passende Bemerkung parat gehabt. Sie dagegen schwieg und spürte, wie sie rot wurde, während sie verlegen aus dem Fenster sah. Korn-und Rübenfelder zerflossen zu einem Mosaik in Gold und Grün. Aus der Plastiktüte auf dem Schoß der Dicken roch es nach Gorgonzola. »Und was liest du so?«, fragte Franziska, um die Unterhaltung nicht völlig einschlafen zu lassen. Wieder sah Paul stumm aus dem Fenster. Er schien da draußen etwas wirklich Interessantes zu sehen. Franziska wagte nicht, ihre Frage zu wiederholen. »Hesse«, sagte er nach über einer Minute. »Ich lese zurzeit viel von Hesse. Siddharta zuletzt.« »Ah. Meine Hesse-Phase hatte ich mit dreizehn«, hörte sich Franziska antworten. Was redete sie da schon wieder für einen Mist? Meine Hesse-Phase hatte ich mit dreizehn . Er wird mich für eine altkluge, affektierte Tussi halten. So wie ihr Vater neulich bemerkt hatte, sie müsse achtgeben, dass sie auf andere nicht zu blaustrümpfig wirke. Franziska hatte im Internet nachsehen müssen, was Blaustrumpf bedeutete: Mauerblümchen, Frauenrechtlerin . Sie hatte ganz vergessen, ihren Vater zu fragen, ob ihm eine Tochter, die sich nur für Klamotten und Klingeltöne interessierte, lieber wäre. »Mädchen sind eben mit allem etwas früher dran«, antwortete Paul ironisch. »Ich habe es nur gelesen, weil es daheim herumlag«, versuchte sich Franziska in Schadensbegrenzung. Es war nicht einmal gelogen. Franziskas Mutter arbeitete für die Literaturredaktion des NDR, weshalb zu Hause schon immer stapelweise Bücher herumgelegen hatten. Sobald sie lesen konnte, hatte Franziska wahllos alles an Literatur verschlungen, was ihr in die Finger kam. Bücher waren wie Drogen, man konnte abtauchen aus der Wirklichkeit in eine andere Welt. »Aber ich befürchte, ich habe damals gar nichts verstanden«, setzte sie hinzu. Er nickte nur. Offensichtlich langweilte sie ihn. Franziska tat, als würde sie weiterlesen, aber ihr war klar, dass sie drauf und dran war, diese einmalige Gelegenheit, Paul etwas näherzukommen, ergebnislos verstreichen zu lassen. Schnell, ein anderes Thema musste her! »Wie gefällt es dir an der Schule?« »Ist okay.« »Und deiner Schwester? Sie geht in die Neunte, oder?« »Alexandra, ja. Die wird sich schon noch eingewöhnen. Mit dem Lernen tut sie sich eh leichter als ich.« Franziska hatte Paul in der Pause häufig zusammen mit einem großen, etwas grobgliedrigen Mädchen gesehen. Vielleicht, dachte sie nun insgeheim, würde sich Alexandra ohne ihren Bruder schneller eingewöhnen. »Wenn du mal Hilfe brauchst – in Mathe bin ich zwar auch nicht gerade eine Leuchte, aber sonst...« »Danke für das Angebot«, sagte er in einem Ton, der eine Annahme desselben kategorisch ausschloss. Schon wieder ein Fehler, dachte Franziska. Vielleicht sollte ich mal einen Kursus belegen: Wie flirte ich mit einem Jungen, ohne von einem Fettnapf in den nächsten zu treten.
    Der Zug hielt, die Dicke stieg aus. Der Käseduft schwebte hartnäckig über den Sitzen. Nur noch fünf Minuten bis zu ihrer gemeinsamen Haltestelle. Los, Franziska, nutze deine Chance! »Was machst du sonst so – außer lesen?«, forschte sie in einem Anflug von Mut weiter.
    »Tiere beobachten.«
    »Was für Tiere? « »Alle möglichen. Ich setze mich mit dem Fernglas auf eine n Hochsitz und warte, was da so passiert. Manchmal mache ic h Fotos. « »Ich gehe auch oft in den Wald. Mit dem Hund meiner Tante. « »Warum habt ihr keinen eigenen? « »Mein Vater ist angeblich allergisch gegen Tierhaare. Aber ic h glaube, er sagt das nur, weil er kein Haustier möchte. « »Kannst du still sein?«, fragte Paul . Franziska wurde von einer heißen Welle der Scham überspült . Sie hatte ihn also genervt mit ihrem Geplapper, dem krampfhaften Bemühen um eine Unterhaltung. Vielleicht hatte er lesen wollen, seinen Hesse, oder nachdenken, und sie . . . Franziska konnte sich nicht erinnern, jemals eine so peinliche Situation wie diese erlebt zu haben. Peinlich und demütigend. Scho n spürte sie ein verräterisches Brennen in den Augen und etwas , das ihr die Kehle zuschnürte. Gleichzeitig registrierte sie, wi

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