NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)
Literatur des Corian-Verlages.
Ronald
M. Hahn hat so ziemlich alles gemacht, was in
der Science Fiction möglich ist, und alles zusammen ergibt eine
beachtliche
Laufbahn und sichert ihm eine historische Position in der deutschen SF.
Copyright
© 2012 by Franz Rottensteiner
I.
1969
stieß ich zu den fleißigen Burschen, die das Blatt herausgaben“, erinnerte
Ronald Hahn sich rückblickend Anfang der 80er Jahre. 1971 schlüpfte er
gemeinsam mit Hans Joachim Alpers für ein Jahrzehnt in die Rolle des
Chefredakteurs und Mitherausgebers – und damit oft genug auch in die Rollen von
„Druckern, Verpackern, Versendern“ (Alpers). Bei der Science Fiction Times lernte Ronald nach eigener Aussage, „(s)ich zu artikulieren“. Mit den Worten
seines Nachfolgers Harald Pusch: Er „bereicherte die Zeitschrift um den
mittlerweile ‚Hahn-typisch’ genannten Stil“. Kostprobe:
„Frohgemut
sitzt unser in Ehren ergrauter Übersetzer an der Tastatur und überträgt nach
bestem Wissen und Gewissen die 82. Folge der fantastischen Weltraumabenteuer
des Captain Storm Shannon von der intergalaktischen Raumpatrouille aus der
anglo-amerikanischen in die Sprache seiner Mutter… Er fragt sich gerade, ob er
‚Fuck you’ wie gewohnt als ‚Arschloch’ übersetzen oder mit ‚Fick dich’ einen
Kotau vor den Neckermann-Abiturienten der Synchronindustrie machen soll, als…“
Kommentar
Ronalds im Zuge gelegentlicher Selbsterforschung: „Es ist für mich sehr
wichtig, beim Schreiben einen ordentlichen Lustgewinn zu haben.“
Bevor
Ronald Hahn unter die „Macher“ der Zeitschrift ging, hatten bereits die Herausgeber
Helmut Struck, Horst Peter Schwagenscheidt und Hans Joachim Alpers – nicht zu
vergessen Jürgen Nowak als Kritiker und Literaturredakteur – der SFT zum
Ruf eines „Rebellenblatts“ (Alpers) verholfen. Der immer barbarischer geführte
Vietnamkrieg, die Pläne für eine „Notstandsverfassung“ hatten bis ins Fandom
hinein politisierend gewirkt. Science Fiction-Romane wurden in der SFT ideologisch auseinandergenommen, wobei die Urteile häufig genug vernichtend
ausfielen.
Im
Science Fiction Club Deutschland entstanden als Ableger der
Außerparlamentarischen Opposition eine „inner“- wie eine „außerclubliche“
Opposition (ICO bzw. ACO). 1970 gründeten Alpers, Schwagenscheidt, Albrecht
Stuby und einige andere Wortführer der ICO in Bremerhaven die Arbeitsgemeinschaft
Spekulative Thematik (AST). Im selben Jahr sollte der erste Weltcon als
HEI(delberg)CON auf deutschem Boden stattfinden. Anlass der AST-Gründung war
nicht zuletzt die Absicht, dem dort „geplanten schwachsinnigen Treiben“
entgegenzutreten. Die Auseinandersetzungen, die daraus entstanden, bestärkten
die AST-Mitglieder in der Auffassung,
„dass
die sich gern als ‚unpolitisch’ darstellende Mehrheit der SF-Fans Menschen mit
von kapitalistischer Ideologie eingelulltem Kleinbürgerbewusstsein sind, die
sich im Zweifel auf die Seite der Reaktion schlagen.“
1971
schied die AST aus dem SFCD aus. Die Science Fiction Times avancierte zu
ihrer Streitschrift. Eine Weile spiegelte die Buntheit der vertretenen
Positionen den Zerfall der Protestbewegung. Hahn:
„Wir
hatten Clowns und Neurotiker, liberale Kulturfreaks und (Pseudo-)Stalinisten…
Die Umtriebe der schmutzigen Lakaien des Imperialismus wurden auf jeder Seite
neu entlarvt und gebrandmarkt…“
Auch
Ronald war gegen derartige Versuchungen nicht immer gefeit. 1976 nutzte er die
Auseinandersetzung mit einer „ansatzweise fortschrittlichen“ (in Wahrheit
natürlich umso raffinierter bourgeois-propagandistischen!) Poul Anderson-Story,
um den SFT -Lesern in einem Crashkurs Dialektik einzupauken:
„Bei
der Warenproduktion geht es dem Kapitalismus lediglich um den Tauschwert, egal
wie hoch der Warenwert für den Abnehmer ist. Letzterem allerdings geht es in
erster Linie um den Gebrauchswert, den er zu möglichst geringem Tauschwert
erwerben will. Kapitalist und Konsument
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