Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur Der Tod Bringt Vergebung

Nur Der Tod Bringt Vergebung

Titel: Nur Der Tod Bringt Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
und er steckte beides ein. Die Gedichtzeilen fesselten ihn. Er sah im librarium nach und stellte fest, daß sie den Versen Sapphos entnommen waren. Als wir ihn im librarium trafen, fragte er mich sogar nach dem Brauch irischer Liebender, untereinander Geschenke auszutauschen. Ich verstand nicht, worauf er hinauswollte, bis es dafür zu spät war. Seaxwulf muß Gwid verdächtigt haben. Als er hörte, daß Athelnoth ermordet worden war, sprach er mich im Refektorium an. Da er Angst hatte, die anderen Schwestern könnten ihn verstehen, vereinbarte er auf griechisch mit mir ein heimliches Treffen. Allerdings vergaß er dabei, daß Gwid in Hörweite saß und besser Griechisch konnte als wir alle zusammen. Es war ein tödlicher Fehler. Gwid mußte ihn zum Schweigen bringen. Sie folgte ihm ins Kellergewölbe, versetzte ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, stieß ihn ins Weinfaß und drückte seinen Kopf so lange in die Flüssigkeit, bis er kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Dann kam ich, und sie hatte keine Zeit mehr, die Leiche zu durchsuchen. Als ich die Leiche im Weinfaß entdeckte, rutschte ich von dem Schemel, auf den ich gestiegen war, und verlor das Bewußtsein. Mein Schrei rief Eadulf und Schwester Athelswith herbei, die mich in mein cubiculum brachten. Das gab Gwid Zeit, Seaxwulfs Leichnam aus dem Faß zu zerren, durch den Tunnel zum defectorum an den Klippen zu schleifen und ins Meer zu werfen. Nicht ohne ihn vorher zu durchsuchen, versteht sich.»
    «Und warum hat sie Brosche und Gedicht nicht an sich genommen?» fragte Äbtissin Hilda. «Schließlich hätte sie dafür genug Zeit gehabt.»
    Fidelma lächelte.
    «Seaxwulf folgte der neuesten Mode. Er hatte einen dieser neuartigen sacculi in seine tunica eingenäht und bewahrte darin seine kostbarsten Beutestücke auf. Die arme Gwid wußte nichts von der Existenz des sacculus. Aber sie machte sich darüber auch keine großen Sorgen, da sie glaubte, den Leichnam und damit auch alle Beweisstücke ein für allemal losgeworden zu sein, indem sie ihn über den Rand der Klippen ins Meer stieß. Sie konnte nicht ahnen, daß die Strömung ihn innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Stunden in der Nähe des Hafens anspülen würde.»
    «Ihr sagt, Schwester Gwid habe Seaxwulfs Leiche durch den Tunnel zum Meer geschleift. War sie wirklich so kräftig?» fragte Hilda. «Und woher wußte Gwid, die in Streoneshalh doch eine Fremde war, von dem defectorum ? Dieser Ort ist unseren Brüdern vorbehalten, und nur männliche Gäste erfahren von seiner Existenz.»
    «Schwester Athelswith hat mir gesagt, daß man den Schwestern, die in der Küche arbeiten, von dem defectorum erzählt, damit sie sich nicht versehentlich dorthin verirren und das männliche Schamgefühl verletzen. Nach Étains Tod arbeitete Schwester Gwid in der Küche.»
    Schwester Athelswith errötete.
    «Das stimmt», räumte sie ein. «Schwester Gwid bat mich, in der Küche arbeiten zu dürfen, um in der verbleibenden Zeit ihres Aufenthalts etwas Sinnvolles tun zu können. Ich hatte Mitleid mit ihr und erklärte mich einverstanden. Die oberste Köchin hat sie dann wahrscheinlich vor dem defectorum der Männer gewarnt.»
    «Eine Weile lang haben wir uns von den Ränken Eures Sohnes Alhfrith ablenken lassen», sagte Eadulf, an König Oswiu gewandt. «Wir dachten, Taran oder Wulfric könnten in die Morde verwickelt sein.»
    Schwester Fidelma breitete abschließend die Hände aus. «Nun kennt Ihr das Ergebnis unserer Ermittlungen.»
    Eadulf lächelte finster.
    «Eine Frau, deren Liebe verschmäht wird, ist wie ein gestauter Strom: tief, undurchsichtig, aufgewühlt und von mächtigen, untergründigen Strudeln beherrscht. So war es auch bei Gwid.»
    Colmán seufzte.
    «Schon Publícius Syrus sagte: ‹Liebe oder Haß – ein Drittes kennen die Frauen nicht.›»
    Äbtissin Abbe lachte höhnisch.
    «Syrus war ein Narr wie die meisten Männer.»
    Oswiu erhob sich.
    «Jedenfalls bedurfte es einer Frau, um diese Greueltaten aufzudecken», sagte er. Dann runzelte er die Stirn. «Hätte Gwid allerdings nicht ein so unbeherrschtes Wesen, wäre Eure Beweislage recht dünn gewesen. Zwar fügt sich alles zu einem Bild zusammen, doch hättet Ihr Gwid auch überführen können, wenn sie ruhig geblieben wäre und alles abgestritten hätte?»
    Fidelma lächelte. «Das werden wir wohl niemals erfahren, Oswiu von Northumbrien. Aber ich denke schon. Kennt Ihr Euch in der Kunst der Kalligraphie aus?»
    Oswiu verneinte.
    «Ich habe diese

Weitere Kostenlose Bücher