Nur Der Tod Bringt Vergebung
Glaubensbrüder so zurücklassen? Ohne Segen und Begräbnis?»
Bruder Taran zuckte die Achseln. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Schwester Fidelma wandte sich zu den anderen um.
«Ich brauche ein Messer, um das Seil durchzuschneiden», erklärte sie. «Wir müssen für die Seele unseres Bruders beten und dafür sorgen, daß er ein christliches Begräbnis bekommt.»
Die anderen warfen sich unbehagliche Blicke zu.
«Vielleicht hat Bruder Taran recht», gab das zweite weibliche Mitglied der Gruppe zu bedenken. Es war ein großes, grobknochiges Mädchen, das schwer und unbeholfen auf seinem Reittier saß. «Schließlich kennt er dieses Land ebensogut wie ich. Habe ich nicht jahrelang als versklavte Geisel in Northumbrien leben müssen? Sicherlich wären wir gut beraten, wenn wir unverzüglich weiterreiten und uns in den Schutz der Abtei von Streoneshalh begeben würden. Wir können Äbtissin Hilda von der Greueltat berichten. Sie wird am besten wissen, was zu tun ist.»
Schwester Fidelma stöhnte gereizt auf.
«Wir sollten doch zuallererst an die Seele unseres verstorbenen Bruders denken, Schwester Gwid», gab sie zurück. Dann wandte sie sich an die anderen. «Hat denn niemand ein Messer?»
Zögernd kam einer der Männer näher und reichte ihr ein kleines Messer.
Schwester Fidelma nahm es, stieg von ihrem Pferd und ging zu der Stelle, wo das Seil an einen niedrigeren Ast gebunden war. Sie hatte das Messer schon angehoben, als ein schriller Schrei sie innehalten und herumfahren ließ.
Aus dem Wald auf der anderen Seite des Weges kam ein halbes Dutzend Männer. Angeführt wurden sie von einem Mann auf einem Pferd – einem kräftigen Krieger mit langem, zotteligem Haar, das unter einem polierten Bronzehelm herausquoll und in einen dichten schwarzen Bart überging. Er trug einen glänzenden Brustharnisch, und seine Körperhaltung zeugte davon, daß er es gewohnt war, Befehle zu geben. Seine Gefolgsleute trugen verschiedene Waffen, die meisten Knüppel oder Pfeil und Bogen.
Schwester Fidelma hatte keine Ahnung, was der Mann ihr zurief, aber offenbar war es ein Befehl, und allem Anschein nach wollte er sie von ihrem Vorhaben abbringen.
Sie wandte sich zu Bruder Taran um, der dem Fremden ängstlich entgegenblickte.
«Wer sind diese Leute?»
«Es sind Sachsen, Schwester.»
«Das sehe ich selbst. Aber meine Kenntnisse des Sächsischen sind unvollkommen. Ihr müßt mit ihnen sprechen und sie fragen, wer sie sind und was sie über diesen Mord wissen.»
Bruder Taran rief dem Anführer der Männer ein paar holprige Brocken in einer fremden Sprache entgegen. Der kräftige Mann mit Helm grinste und spuckte aus, ehe er einen Schwall unverständlicher Laute von sich gab.
«Er sagt, sein Name sei Wulfric von Frihop, er sei ein Than des Unterkönigs von Deira, und dies sei sein Land. Seine Halle liege auf der anderen Seite des Waldes», übersetzte Bruder Taran stockend.
«Fragt ihn, was das hier zu bedeuten hat», sagte Schwester Fidelma in kaltem, gebieterischem Ton und zeigte auf den immer noch am Seil baumelnden Toten.
Der sächsische Krieger ritt näher und musterte Bruder Taran mit einem neugierigen Stirnrunzeln. Dann verzog sich sein bärtiges Gesicht zu einem bösartigen Grinsen. Seine engstehenden Augen und sein verschlagener Blick erinnerten Fidelma an einen listigen Fuchs. Er nickte grinsend, während Taran zögernd sprach, und antwortete dann, wobei er wieder kräftig auf den Boden spuckte, als wollte er damit seinen Worten Nachdruck verleihen.
«Es bedeutet, daß der Bruder hingerichtet wurde», übersetzte Taran.
«Hingerichtet?» Fidelma zog die Augenbrauen zusammen. «Nach welchem Gesetz wagt es dieser Mann, einen Mönch aus Iona hinzurichten?»
«Nicht aus Iona. Der Mönch war ein Northumbrier aus einem Kloster auf der Insel Farne», kam die Antwort.
Schwester Fidelma biß sich auf die Unterlippe. Sie wußte, daß Colmán, der Bischof von Northumbrien, auch der Abt von Lindisfarne war und die Abtei die Hauptstütze der Kirche in diesem Königreich bildete.
«Und sein Name? Wie war der Name des Bruders?» wollte Fidelma wissen. «Und welches Verbrechen soll er begangen haben?»
Wulfric zuckte mit den Schultern.
«Nach seinem Namen habe ich ihn nicht gefragt.»
«Nach welchem Gesetz wurde er hingerichtet?» fragte sie weiter und versuchte, die in ihr aufsteigende Wut in den Griff zu bekommen.
Wulfric, der Krieger, lenkte sein Pferd näher an die junge Ordensschwester heran und beugte
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