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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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selbst angestachelt hat. Es war meine schmerzliche Pflicht, an sein Bett zu eilen, wo ich ihn bewusstlos daliegen fand.
    Doch wer, meine Freunde, vermag den Ratschluss des Herrn vorherzusehen? Wer begreift Seine Wege? Nach Seinem Willen wurden meine Gebete erhört, mein verlorener Bruder öffnete die Augen, vernahm die Stimme des Herrn, welcher durch meine Lippen sprach, und gestand und bereute seine Missetaten, auf dass er das Heil finden und im Blute des Lammes reingewaschen werde. Gloria, halleluja! Gloria! Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, 133 gepriesen sei der Name des Herrn! Brüder, freuet euch mit mir, denn ich habe das verirrte Schaf gefunden. Ich sage euch: Also wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen. 134 Halleluja! Halleluja!»
    Die ganze Zeit hörte man im Hintergrund eine große, erregte Menschenmenge murmeln. Jedes Mal, wenn der Prophet innehielt, stießen sie Seufzer aus, und nun, am Ende der Predigt, übertönten sie ihn mit jubelndem «Gloria! Gloria, halleluja!». Unter der Tür zum Krankenzimmer stand Ruth Watkins, die wieder aufgewacht war. Sie starrte Bunny entsetzt an und flüsterte: «Oh, was für eine Lüge!»
    Ja, auch Bunny vermutete, dass Eli log, aber er konnte es nicht beweisen, und selbst wenn – was hätte es genützt? Das Radio ist eine einseitige Apparatur; man kann zuhören, aber nicht antworten. Darin liegt sein enormer Nutzen für das kapitalistische System. Der Bürger sitzt zu Hause und nimmt entgegen, was ihm gereicht wird, wie ein künstlich ernährter Säugling. Auf dieser Grundlage lässt sich das größte Sklavenreich der Geschichte errichten.
    11
    Der Mieter drehte am Knopf. Nun kamen die ersten Wahlergebnisse aus Kalifornien. «Radio VXZ , der Angel City Evening Howler, Angel City, Kalifornien.» Der Sprecher hatte eine sanfte, säuselnde Stimme, die ihm monatlich tausend Dollar einbrachte; es lag ein leises Schmunzeln darin, das ihn auch bei Kindern sehr beliebt machte. Unter dem Namen «Onkel Peter» erzählte er ihnen vor dem Einschlafen kleine Geschichten. Nun machte sich sein Humor über die Wahlergebnisse her. «Rosario, Kalifornien. Hallo! Die Heimatstadt von Bob Buckman, dem Geschäftsführer der Handelskammer. Wollen doch mal sehen, was Bob zuwege gebracht hat. Rosario: 37 von 52 Wahlbezirken geben LaFollette 117 Stimmen, Davis 86 und Coolidge 549. Gut so! Falls Bob Buckman gerade bei ‹ Radio VXZ › zuhört: Onkel Peter gratuliert – Sie sind ja eine richtige kleine Startrakete, Bob!»
    Dann schraken die am Bett Wachenden hoch – «Paradise, Kalifornien. Na, wie finden wir denn das? Hier liegt das Ölfeld Ross Junior, Eigentum von Bunny Ross, unserem Salonbolschewiken! Bunny ist der Knabe, der sogenannte politische Gefangene gegen Kaution freikauft; er gibt eine kleine Zeitung heraus, mit der er unsere Jungs und Mädchen an den Universitäten rosa färben will. Schauen wir mal, was Klein Bunnys Städtchen ihm zu sagen hat. Paradise, Kalifornien: 14 von 29 Wahlbezirken geben LaFollette 217, Davis 98, Coolidge 693. Na, na, Bunny, da müssen Sie wohl noch ein bisschen mehr unterwandern!»
    Wieder drehte der Mieter weiter. ‹Radio QXJ , der Angel City Evening Roarer›, Sie hören ein Banjosolo von Bella Blue, der Hexe aus Texas.» Plink-plonk, plink-plonk, plink-plink-plonk!
    Pauls Lippen begannen sich zu bewegen. Da war ein Hauch von einem Laut, und Ruth beugte sich dicht über ihn. «Er kommt zu Bewusstsein! Oh, holt den Doktor!» Der Krankenhausarzt erschien, lauschte und fühlte Paul den Puls, dann schüttelte er den Kopf. Es komme darauf an, welche Bereiche des Gehirns betroffen seien, womöglich sei das Sprachzentrum unverletzt. Die Laute ergäben keinen Sinn, Paul wisse nicht, was er sage. So könne es noch tagelang gehen, sogar ein oder zwei Wochen.
    Doch Ruth horchte weiter und versuchte, ein Wort zu verstehen. Vielleicht war Paul doch irgendwie anwesend, versuchte mit ihr zu sprechen, sie um etwas zu bitten. Sie flüsterte in qualvoller Sehnsucht: «Paul, Paul, willst du mit mir reden?» Die Stimme wurde lauter, und Rachel sagte: «Es ist eine Fremdsprache.»
    «Dann muss es Russisch sein», erwiderte Bunny, denn das war die einzige Fremdsprache, die Paul beherrschte. Es war merkwürdig – als spräche eine Leiche oder eine Wachspuppe; die Töne schienen von ganz tief unten aus seiner Kehle zu kommen. «Da sdrawstwujet

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