Ohrwuermer und Quallenpest
hinein. Niemand da.
Er überprüfte auf diese Weise auch alle anderen Räume, doch er traf nur auf die ihm schon vertrauten, mit alten Trachten bekleideten Schaufensterpuppen und all die anderen Gegenstände aus den vergangenen Jahrhunderten. Vor dem Büro war er noch einmal besonders achtsam. Vielleicht machte einer der Angestellten ja Überstunden? Man konnte nie wissen! Er lugte zur Tür hinein, aber es gab keinen Grund zur Sorge.
Siegessicher ballte er die Faust. Er, Pampe, war der Held, der die Zaubersprüche von Magia Drei aus diesem Haus entführen würde. Dabei hätte Pit ihm beinahe einen Strich durchdie Rechnung gemacht. Aber mit einem ganz simplen Trick hatte er ihn ausgebootet. Er, ein echter Rottentodd, konnte im Dunkeln sehen. Damit hatte Pampe nicht gelogen. Aber keiner – außer ihm selbst – hatte daran gedacht, dass es im Sommer ja erst nach 22 Uhr dunkel wurde. Pit hätte Magia Drei in aller Ruhe im Hellen kopieren können.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit blieben ihm noch drei Stunden. Sie kamen ihm mit einem Mal wie eine Ewigkeit vor.
Pampe wurde plötzlich flau im Magen. So ganz allein mit den dämlich grinsenden Schaufensterpuppen inmitten uralter Möbel. Und zu essen hatte er auch nichts dabei. Daran hatte niemand gedacht.
Pampes Hochgefühl war mit einem Schlag wie weggeblasen. Mist, dachte er. Das hat man davon, wenn man seinen eigenen Freund austrickst. Um auf andere Gedanken zu kommen, machte Pampe sich an die Arbeit. Er hob den Glasdeckel ab, unter dem Magia Drei lag, und nahm das Buch vorsichtig heraus. Dann ging er ins Büro und setzte sich hinter den Schreibtisch.
Er blätterte eine Weile in dem Zauberbuch herum und las einige Verse. Sie waren in genau demselben Stil verfasst wie die in Band Eins und Zwei. Es würde funktionieren! Pampe war sich sicher: Wenn sie wieder zu Hause waren, würden sie zaubern können!
Nachdem er jede Seite fotokopiert hatte, legte er Magia Drei zurück an seinen Platz.
Dann überfiel ihn die Langeweile. Er schlenderte ziellos im Museum herum, bis sein Blick wieder an den Schaufensterpuppen hängen blieb …
Er kicherte und sagte zu sich selbst: »Warum eigentlich nicht?«
Zehn Minuten später steckte er in einem viel zu großen blau-weißen Trachtenkleid aus dem späten 18. Jahrhundert und einer rosa geblümten, kurzärmeligen Jacke aus dem frühen 19. Jahrhundert.
Dazu trug er einen grünen Hut mit rotem Band aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Pampe sah sich um und suchte einen Spiegel. Aber so etwas hatte das Museum nicht zu bieten. Er musste also in den Waschraum gehen.
Rasch hob er das Kleid an und marschierte los.
In der Toilette stellte Pampe fest, dass der Spiegel über dem Waschbecken für ihn viel zu hoch hing. Er konnte gerade so sein Gesicht unter dem Hut und ein Stück seiner Schultern in der rosageblümten Jacke sehen. Aber nichts von dem Kleid. Also stolzierte er in den Eingangsbereich und holte den Stuhl, auf dem die Dame an der Kasse normalerweise saß. Er trug ihn zur Toilette und stellte ihn vor den Spiegel. Dann stieg er darauf. Im selben Moment hörte Pampe, wie jemand die Eingangstür aufschloss.
Die Dame, die im Heimatmuseum Kiekenförde an der Kasse saß, hieß Aurora Kuchenbäcker. An diesem Abend war sie auf dem Weg zu einer Verabredung, als sie plötzlich ganz dringend auf die Toilette musste. Zum Glück war das Museum gleich um die Ecke!
Dort angekommen, öffnete sie die Eingangstür und lief schnell an der Kasse vorbei in Richtung Waschraum. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Sie ging noch einmal zurück zur Kasse und überlegte fieberhaft … irgendetwas war anders. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber sie hatte das Gefühl, dass etwas fehlte …
Natürlich! Der Stuhl! Wieso stand ihr Stuhl nicht an seinem Platz? Sie hatte als Letzte das Museum verlassen – und ganz gewiss hatte sie ihn nicht weggestellt.
Unsicher schaute sich Aurora Kuchenbäcker um. Sonst konnte sie allerdings nichts Verdächtiges entdecken. Oder doch?
Sie ging langsam auf den ersten Ausstellungsraum zu und lugte ängstlich hinein. Hier war alles an seinem Platz. Die Schwarz-Weiß-Fotografien, das antike Geschirr, und auch von den älteren Möbelstücken fehlte keines.
»Hallo, ist da jemand?«, rief sie mit etwas zittriger Stimme. Totenstille.
Aurora Kuchenbäcker war trotzdem unheimlich zumute. Am liebsten hätte sie auf schnellstem Wege das Museum wieder verlassen. Doch leider musste sie wirklich dringend aufs
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