Onkel Toms Hütte
Mädchens unterstützt wurde, die ein reizendes Spielzeug abgab, um die öde Langweile einer vierzehntägigen Dampferfahrt zu vertreiben.
Georgs Liegestuhl stand oft unter der Tür ihrer Kabine, und Cassy konnte, wenn sie auf Deck saß, ihre Unterhaltung verfolgen.
Madame de Thoux zog höchst genaue Erkundigungen über Kentucky ein, wo sie, wie sie sagte, früher einmal gelebt hatte. Georg entdeckte zu seiner Überraschung, daß sie ganz in seiner Nachbarschaft gewohnt haben mußte, ihre Fragen verrieten eine Kenntnis der Leute und der Umgebung, die ihn völlig verblüffte.
»Kennen Sie vielleicht«, sagte Madame de Thoux eines Tages zu ihm, »in Ihrer Nachbarschaft einen Mann mit Namen Harris?«
»Es gibt da einen alten Burschen dieses Namens, der nicht weit vom Gut meines Vaters lebt«, erwiderte Georg. »Wir haben allerdings nicht viel mit ihm zu tun gehabt.«
»Ich glaube, er ist ein großer Sklavenhalter, nicht wahr?« fragte Madame de Thoux in einer Art und Weise, die größeres Interesse verriet, als sie zu zeigen gewillt war.
»Das ist er«, stimmte Georg zu, leicht überrascht von soviel Eifer.
»Haben Sie jemals gehört, ob er einen – vielleicht haben Sie gehört – daß er einen Mulattenjungen mit Namen Georg hatte?«
»Oh, gewiß – Georg Harris – den kenne ich gut; er heiratete ein Mädchen meiner Mutter, aber ist jetzt nach Kanada entflohen.«
»Wirklich?« rief Madame de Thoux rasch. »Gott sei gedankt!«
Georg sah wie ein lebendiges Fragezeichen aus, aber er sagte nichts.
Madame de Thoux stützte ihren Kopf in die Hand und brach in Tränen aus.
»Er ist mein Bruder!« sagte sie.
»Madame!« rief Georg, jetzt vollständig überrascht.
»Ja«, sagte Madame de Thoux, stolz den Kopf erhebend und sich die Tränen trocknend; »Mr. Shelby, Georg Harris ist mein Bruder!«
»Ich bin tief erstaunt!« sagte Georg und schob seinen Stuhl zwei Schritte zurück, um Madame de Thoux zu betrachten.
»Ich wurde in den Süden verkauft, als er noch ein Knabe war«, fuhr sie fort. »Ein guter und großmütiger Mann hatte mich gekauft. Er nahm mich mit nach Westindien, schenkte mir die Freiheit und heiratete mich. Er ist vor kurzem verstorben, und ich reise jetzt nach Kentucky und will versuchen, meinen Bruder zu finden und auszulösen.«
»Ich erinnere mich, daß er von einer Schwester Emily sprach, die in den Süden verkauft wurde.«
»Ja, ganz recht! Das bin ich«, antwortete Madame de Thoux, »Erzählen Sie, was für ein Mensch …«
»Ein prächtiger, junger Mann«, unterbrach sie Georg, »trotzdem der Fluch der Sklaverei auf ihm lag. Er bekam ein erstklassiges Zeugnis, sowohl über seine Intelligenz wie über seine moralische Sauberkeit! Ich weiß das, verstehen Sie«, setzte er hinzu, »weil er in unser Haus geheiratet hat.«
»Was ist sie für ein Mädchen?« fragte Madame de Thoux eifrig.
»Ein Juwel!« erwiderte Georg. »Ein schönes, kluges, liebenswürdiges Mädchen. Sehr fromm. Meine Mutter hat sie erzogen und fast wie eine Tochter gehalten. Sie konnte lesen und schreiben, wunderbar sticken und nähen und hatte eine schöne Singstimme.«
»Wurde sie in Ihrem Hause geboren?« fragte Madame de Thoux.
»Nein, Vater kaufte sie unterwegs, als er einmal in New Orleans war, und brachte sie Mutter als Geschenk mit. Damals war sie acht oder neun Jahre alt. Vater hatte nie sagen wollen, was er für sie zahlen mußte, aber neulich, als wir seine Papiere durchsahen, stießen wir auf den alten Kaufvertrag. Er hatte allerdings eine riesige Summe bezahlt – vermutlich wegen ihrer ungewöhnlichen Schönheit.«
Georg saß mit dem Rücken zu Cassy, so daß er den aufmerksamen Ausdruck ihres Gesichts nicht sehen konnte, während er diese Einzelheiten erzählte.
Aber bei diesem Punkte seiner Geschichte berührte sie plötzlich seinen Arm und fragte mit einem Gesicht, schneeweiß vor brennendem Interesse: »Wissen Sie vielleicht noch den Namen der Leute, denen er das Kind abkaufte?«
»Der Mann, der vornehmlich an dem Geschäft beteiligt war. hieß Simmons, glaube ich – wenigstens stand es so auf dem Kaufvertrag.«
»Oh, mein Gott!« sagte Cassy und brach ohnmächtig zusammen.
Jetzt war Georg hell wach und ebenso Madame de Thoux. Obwohl niemand von beiden sich die Ursache von Cassys Ohnmacht vorstellen konnte, erhob sich dennoch ein Tumult, wie es in einem solchen Fall nicht anders sein kann: Georg warf in der Wärme seines humanen Gefühls einen Wasserkrug um und zerbrach zwei Gläser,
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