Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
Vom Netzwerk:
Feilböck? Ich komme von Ihren Eltern. Ich habe ihnen versprochen, niemandem etwas zu sagen, wenn ich Sie finde.«
    »Herr Fraser, erzählen Sie mir keine Märchen. Meinen Sie, ich hätte Sie noch nie im Fernsehen gesehen?«
    »Ja, ich bin Journalist. Aber ich habe trotzdem Ihren Eltern versprochen, daß ich schweigen werde.«
    Warum durfte ich mich nicht umdrehen? Vielleicht hatte er gar keine Waffe. Er kam die Stiegen herab. Ich drehte langsam den Kopf in seine Richtung. Er ließ es zu. Auf mich war tatsächlich eine Pistole gerichtet. Aber der sie hielt, war nicht Feilböck. Ein kurzer, blonder Vollbart, ein eingefallenes Gesicht, entzündete Augen. Es war der Ingenieur.
    »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Ein Zettel in Feilböcks Sakkotasche.«
    »Feilböck ist tot. Und Sie leben bald auch nicht mehr.«
    »Wenn Sie das machen, haben Sie keine Chance zu entkommen. Man weiß, wo ich bin. Ihr Fahndungsfoto ist auch in spanischen Zeitungen.«
    »Dann gibt es hier zwei Tote. Oder?«
    »Ich könnte Ihnen zu einem sicheren Fluchtort verhelfen. Ich habe gute Kontakte in viele Länder.«
    »Deshalb sind Sie gekommen?«
    »Nein, weil ich Feilböck suchte.«
    »Was wollten Sie von ihm?«
    »Mit ihm reden. Aber ich kann ja auch mit Ihnen reden. Mein Sohn ist bei eurem Anschlag ums Leben gekommen.«
    »Ich war es nicht.«
    »Dann haben Sie ja nichts zu befürchten.«
    »Ich war es aber.«
    Ich merkte, daß er zitterte. Er befahl mir, mich in den Korbstuhl zu setzen. Dann ging er rückwärts zur Tür hinaus. Die Pistole hielt er auf mich gerichtet. Er hob meine Umhängetasche auf und kam zurück. Als er mit dem Fuß die Tür zustieß, fiel er fast um. Er leerte die Tasche aus und untersuchte die Seitenfächer. Zwischen den Lamellen der geschlossenen Fensterläden kam genügend Licht durch, um zu sehen.
    Er wirkte vollkommen am Ende. Als hätte er ewig nicht geschlafen. Er zog vom Eßtisch einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber vor die Tür. Die Waffe war nicht mehr auf mich gerichtet. Wir schwiegen eine Weile. Dann sagte er: »Was machen wir jetzt?«
    »Sie erzählen mir, warum Sie meinen Sohn Fred ermordet haben.«
    »Hab ich nicht, verdammt noch mal.«
    Dann schwieg er wieder. Er erhob sich und ging eine Zeitlang auf und ab. Bei manchen Schritten schwankte er, als ob ihm schwindelig geworden wäre. Er setzte sich wieder. Unter seinem linken Auge zuckte es.
    »Wann werden sie kommen?«
    »Bald.«
    »Soll ich Sie gleich erschießen, oder warten wir, bis sie da sind.«
    »Sie kommen nicht. Niemand weiß, daß ich hier bin.«
    »Niemand?«
    »Feilböcks Vater könnte irgendwann hier auftauchen. Aber das wird noch dauern.«
    Er ging wieder auf und ab. Bei den beiden vorderen Fenstern blieb er immer wieder stehen und schaute durch die Lamellen. Dann redete er bis zur Abenddämmerung kein Wort mehr mit mir. Was ich ihn auch fragte, er antwortete nicht. Als ich einmal aufstehen wollte, richtete er die Waffe auf mich. Da setzte ich mich wieder. Gelegentlich trank er einen Schluck Tee. Der Raum hatte keine elektrische Beleuchtung. Über dem Eßtisch hing ein großer Metallring mit abgebrannten Kerzen. Auch auf dem Bücherregal und auf einem Tischchen neben meinem Korbsessel standen abgebrannte Kerzenleuchter. Rechts vom Eingang gab es noch eine Tür in einen Nebenraum.
    Als es dunkler wurde, fragte er:
    »Haben Sie Hunger?«    
    Ich bejahte.
    »Setzen Sie in der Küche Kartoffeln auf.«
    Er bewegte sich zum Eßtisch. Von dort konnte er in die Küche hineinsehen. Als ich aufstand, sagte er:
    »Nicht zu nahe kommen.«
    Ich ging an der Wand entlang in die Küche. Auch dort gab es keine elektrische Beleuchtung. Auf Untertassen klebten die Wachsreste von Kerzen. An den Herd war eine Propangasflasche angeschlossen. Ich entzündete mit meinem Feuerzeug die Flamme. Am Boden lag ein kleiner Haufen Kartoffeln. Daneben stand ein halb gefüllter Sack mit Mandeln. Auf einem Regal waren ein paar Gläser mit eingelegten Oliven. Sonst sah ich nichts Eßbares. Der Wasserhahn funktionierte nicht. Der Ingenieur sagte:
    »Die Zisterne ist hinter der Eisentür.«
    In die Außenwand war eine weiß gestrichene Tür eingelassen, etwa einen Meter im Quadrat. Sie war mit einem schweren Riegel verschlossen. Ich öffnete sie und sah eine Umlaufrolle mit einem Seil. Als ich daran zog, kam ein Eimer Wasser hoch. Aber es dauerte eine Weile. Der Wasserspiegel schien ziemlich tief zu sein. Ich klinkte den Eimer aus dem Karabinerhaken und stellte ihn

Weitere Kostenlose Bücher