Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Und auf dem Weg erzählen Sie mir, was hier eigentlich genau passiert ist.«
»Was mache ich jetzt mit euch?«
Das Licht hatte Margot derart geblendet, dass es wehtat. Das Garagentor war offen, Judith Reichenberg stand, nur als Schatten sichtbar, in der Einfahrt.
Philipp Kaufmann wollte sofort nach oben stürmen. Was ihm eine Stromladung via Taser einbrachte. Er brach zusammen und lag am Boden, zuckte, um dann vor Schmerz zu stöhnen.
Noch bevor Margot sich rühren konnte, sagte Judith Reichenberg bereits: »Ich habe hier auch noch einen geladenen Revolver. Also stillhalten.«
»Frau Reichenberg – meine Kollegen werden früher oder später hier auftauchen.«
»Die waren schon da.«
»Dann ist es einfach aus. Setzen Sie sich in Ihren Wagen, hauen Sie ab. Mit uns haben Sie nur einen Klotz am Bein.« Ob das jetzt die richtige Taktik war, wusste Margot nicht. Die Dame konnte sich mit zwei Schüssen einfach der Klötze entledigen und losfahren. Margot spürte die Nervosität der Frau. Kein gutes Zeichen.
Margot sah sich um. Die Falltür war mit professionellen Scharnieren angebracht. Wahrscheinlich war die Hebezugeinrichtung ebenfalls absolut professionell. Hier hatte jemand sehr, sehr gründlich geplant und offenbar auch ordentlich Geld in die Hand genommen.
»Ich werde das zu Ende führen«, sagte sie.
»Paula!«, rief Philipp.
»Philipp, vergiss es. Du hast mich damals verraten, du hast mich in diese Höhle mitgenommen. Du hast zugelassen, dass sie über mich hergefallen sind. Und du warst sogar einer von ihnen. Scheiße, weißt du was? Ich wollte mit dir schlafen an diesem gottverdammten Tag. Irgendwo im Wald, wo wir für uns gewesen wären. Und du? Du hattest nichts Besseres vor, als mich zu diesen Irren zu schleppen.«
Der Tonfall gefiel Margot nicht. Sie verfluchte sich selbst, dass ihre Waffe nicht da war, ihr Handy nicht – gar nichts. Ihr Instinkt hatte versagt. Sie hatte in Judith das Opfer gesehen, das vielleicht noch ein paar neue Aspekte zur Lösung des Falles hätte beitragen können. Sie hatte ausgeblendet, dass Paula alias Judith doch ein Opfer der vier gewesen war.
Nachdem sie mit Petra Schöffer in dieser Raucherkneipe gesprochen hatte, war sie der Meinung gewesen, dass das Quartett noch viel mehr Frauen auf dem Gewissen hatte. Und dass irgendeine von diesen eventuell Rache genommen hatte. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Jetzt ging es nur um eines: Wie sollte sie aus der Nummer rauskommen?
Sie zuckte zusammen, als der erste Schuss knallte. Philipp schrie auf. Dann fiel der zweite Schuss. Dann der dritte. Dann war Philipp Kaufmann still.
So, jetzt bin ich an der Reihe, dachte Margot. Sie schloss die Augen.
Woran denkt man, wenn man nur noch ein paar Sekunden hat?
Ben, Rainer, Doro, ihr Vater, Nick – kein konkretes Bild wollte sich einstellen. Leere. Schreckliche Leere. Und doch, ein Bild erstand vor ihrem geistigen Auge.
Okay. Dann werde ich mit diesem Bild vor Augen sterben, dachte Margot.
»Wölzer kam auf mich zu, nach dem Vortrag«, erzählte Ruth Steiner. »Der Name war mir bekannt, alle vier Namen waren tief in mein Gehirn gebrannt. Ich erstarrte förmlich, als ich begriff, wer da vor mir stand. Ich wusste nicht, ob er mich auch gleich einordnen konnte. Er machte mir Komplimente über meinen Vortrag. Und er war schon fürchterlich betrunken. Dann machte er einen auf alte Freunde und erzählte mir, dass die anderen drei auch Bundesbrüder seien.«
Horndeich hatte das Blaulicht auf das Dach seines Benz gesetzt. Blau zuckte das Licht auf der Straße.
»Ich fuhr nach Hause. Und eine halbe Stunde später klingelte Wölzer an meiner Tür. Er müsse mit mir reden. Ich machte die Wohnungstür auf, mit eingehakter Sicherheitskette. Er trat die Tür auf. Als ich die Polizei rufen wollte, schleuderte er das Mobilteil des Telefons durch den Raum. Dann fläzte er sich auf das Sofa. Er sagte: ›Hab dich gleich wiedererkannt.‹
Er hatte inzwischen noch mehr getrunken, lallte. Ich versuchte es zunächst noch auf die sanfte Tour. ›Gehen Sie jetzt, Herr Wölzer‹, hab ich ihn aufgefordert. Aber er dachte nicht daran.
›Für dich immer noch Richard.‹
Ich sagte nichts. Er leckte sich über die Lippen und sagte: ›Hast mir einfach gut gefallen, damals, mit dem dünnen Top, mit deinen harten Nippeln. Hab ich doch gesehen. Du warst auch ganz spitz. Hab immer wieder daran denken müssen. Und – die andere, die hat das doch auch genossen.‹
Er war so fürchterlich betrunken.
Weitere Kostenlose Bücher