Pilot Pirx
Schwierigkeiten. Einmal blickte er über den Rand eines losgesprengten Felsbrockens, der aber wie festgemauert haftete, nach unten. Obwohl sie ziemlich langsam vorwärts kamen, waren sie schon echt hoch; von Krull war nur noch der Schutzanzug zu sehen, der sich als kleiner grünlicher Fleck von der grauen Geröllhalde abhob. Pirx bemerkte ihn nicht einmal sofort auf dem Grunde des Luftschachts, der sich zu seinen Füßen auftat.
Nun folgte eine hübsche kleine Traverse. Der Aufstieg wurde schwieriger, aber mit jeder Minute gewann Pirx mehr von seinem Können zurück, das so lange Zeit brachgelegen hatte, und er verließ sich manchmal sogar schon auf seinen Instinkt und suchte nicht mehr bewußt nach den Griffen. Daß es schwieriger wurde, bewies ihm eine einzige Sekunde, da er wie bisher die rechte Hand frei machen wollte, um zum Geigerzähler am Gürtel zu fassen: Er vermochte es nicht. Er hatte nur noch einen Griff für die Linke und etwas sehr Undeutliches unter seiner rechten Schuhspitze. Da stemmte er sich so weit wie möglich vom Felsen ab und hielt aus dieser Distanz Ausschau nach einem Tritt für den anderen Fuß. Nichts. Er verzichtete also auf die Messung, denn etwas weiter oben schien ein kleines Felsband zu sein.
Das Band war zwar mit einer glasigen Eisschicht überzogen und dem Abgrund zugeneigt, aber an einer Stelle war das Eis abgeschürft wie durch einen heftigen Stoß. Ein Kletterschuh bringt so was nie fertig, ging es Pirx durch den Kopf. Vielleicht war es Aniels Schuh gewesen, der Roboter wog ja ungefähr eine viertel Tonne. Massena, der sich bis dahin recht tapfer geschlagen hatte, fiel jetzt zurück.
Sie hatten bereits die obere Partie des Pfeilers erreicht. Der Fels, noch immer rauh und körnig, begann merklich und heimtückisch abzudrängen, er hing immer mehr über, und ohne Fiechtlhaken wären sie nicht weitergekommen. Ein paar Meter weiter oben schloß sich der Schrund, der sich bis dahin deutlich verfolgen ließ. Pirx hatte noch an die fünf Meter freies Seil, aber er ließ es von Massena einholen, um sich umzusehen. Der Roboter ist hier hinauf, ohne Haken, ohne Seil, ohne Sicherung! sagte er sich. Warum sollte ich das nicht auch schaffen? Er tastete das Gestein über sich ab. Sein rechter Knöchel war im äußersten Ende des Risses eingekeilt, der ihn bis hierher geführt hatte, und durch die anhaltende Zerrung schmerzte er heftig. Dennoch ließ Pirx nicht locker, und auf einmal stieß er mit den Fingerspitzen auf eine Leiste, die schmaler war als eine Fingerkuppe. Bis dorthin konnte man sich hochziehen, aber was dann?
Das war nicht mehr nur ein Kampf mit dem Felsen, sondern zugleich ein Wettstreit mit Aniel, der diese Stelle passiert hatte – und zwar allein. Allerdings hatte der Stahlfinger ... Pirx war eben dabei, seinen Fuß aus dem Riß zu lösen, da lockerte sich ein Stein unter seiner Sohle und sauste in die Tiefe. Er hörte deutlich, wie er zischend die Luft zerschnitt, und erst lange, lange danach war ein scharfer Aufprall zu vernehmen. Alles, was recht ist, ganz schön exponiert! dachte er. Er verzichtete darauf, sich hochzuziehen, und suchte nach einer Stelle, wo er einen Haken einschlagen konnte. Aber der Fels wies auch nicht die feinsten Risse auf. Pirx beugte sich nach beiden Seiten vor, so weit er konnte, entdeckte aber nichts.
»Was ist los dort oben?« vernahm er Massenas Stimme unter sich.
»Alles in Ordnung, ich guck mich nur um«, sagte er.
Der Knöchel machte ihm zu schaffen, lange würde er sich in dieser Position nicht mehr halten können. Tja, wenn sie diesen Weg jetzt aufgeben und umkehren könnten! Aber wenn die Spur einmal verloren war, würde man sie in dieser kilometerlangen Wand nicht mehr wiederfinden. Pirx versuchte, irgend etwas über seinem Kopf auszumachen. In der starken Verkürzung sah es aus, als ob ganz annehmbare Griffe existierten, aber die Vertiefungen waren flacher als ein Handteller. Es blieb also nur das Felsband. Als er den Fuß aus dem Riß befreit hatte und sich mit beiden Armen nach oben zog, durchfuhr ihn der Gedanke, daß es nun kein Zurück mehr gab: Der Fels drängte ihn sofort ab, er hing nun frei, die Schuhspitzen etwa dreißig Zentimeter von der Wand entfernt. Hinauf! Ein Flimmern über seinem Kopf – ein Spalt? Aber dazu mußte man sich erst mal hinaufziehen! Feste! Noch ein bißchen! In der folgenden Sekunde setzte sein Verstand aus. Er hätte die linke Hand loslassen und sich mit vier Fingern der rechten Hand festkrallen
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