Polt muss weinen
mußte es ausgerechnet das Auto von Josef Schachinger sein?«
Pahlen schaute erstaunt. »Josef Schachinger? Den Namen kenne ich nicht, nie gehört.«
»Auch nicht die Geschichte von seinem Buben, den Albert Hahn in den Keller geschleppt hat?«
»Davon hat Florian einmal erzählt. Aber der Name war mir nicht mehr geläufig.«
»Wie ist es überhaupt zu Ihrem Unfall gekommen?«
»Das ist gar nicht so einfach zu erzählen, Herr Inspektor. Erst einmal habe ich im Kirchenwirt noch weitergetrunken, vier Viertel, alles in allem. Dann wollte ich hierher ins Haus gehen, war beim Überqueren der Straße unaufmerksam und sah im letzten Augenblick ein Auto vor mir.«
»Sie hätten also noch stehenbleiben oder zurückspringen können?«
»Vermutlich ja. Aber da war für den Bruchteil einer Sekunde so ein verrückter Gedanke, der mir sagte: warum eigentlich nicht! Und dann bin ich eben weitergegangen.«
»Werden Sie das später auch so als Protokoll unterschreiben?«
»Ja, natürlich.«
Dr. Eichhorn legte einige ausgefüllte Rezepte auf den kleinen Glastisch neben der Bettbank. »Wenn Sie mich wider Erwarten brauchen sollten, Herr Ingenieur, rufen Sie mich bitte an. Und seien Sie in Zukunft vorsichtig mit solchen Aktionen: Damit landen Sie rascher in einer geschlossenen Anstalt, als man sich das so vorstellt.«
Pahlen nickte langsam. »Weil ich auch nie etwas ordentlich zu Ende bringen kann.«
Simon Polt sah zu, daß er in die Dienststelle kam, erstattete kurz Bericht und ging zu Josef Schachinger, der verwirrt und zornig dreinschaute. »Ah, der Herr Inspektor Polt! Jetzt haben Sie mich, wo Sie wollen, nicht wahr?«
»Wie kommen Sie darauf?« Der Gendarm setzte sich. »Ausnahmsweise waren Sie im Ortsgebiet einmal nicht zu schnell unterwegs. Außerdem hat Dipl.-Ing. Pahlen schon ausgesagt, daß er mit voller Absicht in Ihr Auto gerannt ist. Lebensüberdruß, Sie verstehen?«
»Zum Teufel, ja, das verstehe ich«, sagte Schachinger. »Aber warum ausgerechnet in mein Auto. Schon ein sehr eigenartiger Zufall, finden Sie nicht auch?«
»Doch, ja. Darüber werden wir alle miteinander ein wenig nachdenken müssen. Vielleicht sehen wir uns einmal, in der Kellergasse?«
»Das glaube ich nicht«, brummte der Schachinger. »Wenn Sie kommen, schau ich nämlich weg.«
Polt geht zur Schule
Gendarmerie-Inspektor Polt hatte schon immer großen Respekt vor der Würde eines Bürgermeisters gehabt. Als Kind waren ihm diese aller Gewöhnlichkeit entrückten Männer, die nicht einfach redeten, sondern Reden hielten, als Repräsentanten höherer Mächte erschienen, ähnlich wie Pfarrer, doch gewichtiger. Auch später, als der Götterglaube einer gewissen Ernüchterung wich, war Polt davon überzeugt, daß ein vordem alltäglicher Mensch durchaus dazu imstande war, mit der Größe des ihm verliehenen Amtes zu wachsen. Er reagierte demnach ausgesprochen höflich, als Herr Gregor Mantler, der Bürgermeister von Burgheim, in seiner Dienststelle anrief und liebenswürdig anfragte, ob Herr Inspektor Polt möglicherweise irgendwann für eine kurze, formlose Unterredung im Amtshaus Zeit fände.
Ein paar Stunden später wurde der Gendarm von der Gemeindesekretärin freundlich ins Büro des Ortsoberhauptes gebeten, und er ärgerte sich ein wenig darüber, daß er doch tatsächlich Herzklopfen hatte.
»Mein lieber Herr Gruppeninspektor, nehmen Sie doch Platz!« Der Bürgermeister wies auf eine behagliche Sitzgruppe. »Kaffee? Mineralwasser?« Er lächelte schalkhaft. »Oder gar ein Glas Wein?«
»Kaffee, bitte.«
»Also, wie fange ich an… Wir sind hier unter uns, ich darf doch offen reden?«
Polt fühlte sich geschmeichelt und nickte nur. »Als guter Gendarm wissen Sie vielleicht, daß zwischen mir und dem Ortsvorstand von Brunndorf - nun ja - gewisse Meinungsunterschiede bestehen.«
Polt war natürlich bekannt, daß die beiden ehemaligen Schulfreunde seit vielen Jahren einander als unversöhnliche Rivalen das Leben schwermachten. Er begnügte sich also mit einer vagen Handbewegung und war weiter ganz Ohr.
»Sie würden es nicht glauben, mein Lieber, aber vor wenigen Tagen hat mir mein geschätzter Amtskollege einen Besuch abgestattet.«
Der Gendarm hob überrascht den Kopf. »In welcher Angelegenheit?«
»Können Sie sich das nicht denken?«
»Albert Hahn womöglich?«
»Bravo. Ja, eines möchte ich noch vorausschicken: Ich bewundere ohne Einschränkung Ihre Aufklärungsarbeit. Mein Gott, wenn ich daran denke, wie dieser
Weitere Kostenlose Bücher