Priester und Detektiv
Gilder, wütende Blicke auf die schwarzen Hände werfend, »wollen Sie diesem Kerl nicht die Handschellen anlegen? Er sieht ziemlich gefährlich aus.«
»Ja, Sir,« zögerte der Aufgeforderte mit demselben sonderbar verwunderten Blicke, »ich weiß nicht, ob wir dürfen.«
»Wieso?« fragte Gilder ärgerlich, »Hatten Sie ihn denn nicht verhaftet?« Etwas wie Verachtung spielte um den schlitzartigen Mund und der Pfiff eines nahenden Zuges klang wie höhnischer Widerhall.
»Wir verhafteten ihn,« erwiderte der Sergeant ernst, »als er eben aus dem Polizeiamt in Highgate heraustrat, wo er all seines Herrn Geld bei Inspektor Robinson hinterlegt hatte.«
Gilder blickte in höchster Verblüffung den Diener an. »Warum in aller Welt haben Sie das getan?« fragte Magnus. »Damit es vor dem Verbrecher in Sicherheit ist, natürlich,« versetzte dieser ruhig.
»Ich meine,« sagte Glider, »Sir Aarons Geld wäre bei Sir Aarons Familie sicher gewesen.«
Der Schluß des Satzes wurde von dem Donnern des Zuges übertönt, der rattelnd und schüttelnd vorbeifuhr; aber durch all den Höllenlärm, dem dieses Unglückshaus von Zeit zu Zeit ausgesetzt war, konnten sie jede Silbe von Magnus Antwort in ihrer glockengleichen Klarheit vernehmen: »Ich habe keinen Grund, Sir Aarons Familie zu trauen.«
Alle die regungslos Dastehenden hatten das unheimliche Gefühl, als sei plötzlich eine neue Persönlichkeit zugegen, und Merton war wenig mehr überrascht, als er aufblickte und über Father Browns Schulter das bleiche Gesicht von Armstrongs Tochter sah. Sie war noch jung und schön gleich einem Silberkunstwerk, doch ihr Haar von einem so matten und toten Braun, daß es an einigen Stellen völlig ergraut schien.
»Nehmen Sie sich in Acht, was Sie sagen,« bemerkte Royce barsch, »Sie erschrecken sonst Miß Armstrong.«
»Das hoffe ich,« sagte der Mann mit der klaren Stimme.
Als die Dame zu aller Verwunderung zusammenzuckte, fuhr er fort: »Ich bin so ziemlich an Miß Armstrongs Zittern gewöhnt. Ich habe sie Jahre hindurch dann und wann zittern gesehen. Einige meinten, sie zitterte vor Kälte, andere, sie zitterte aus Furcht, aber ich weiß es, sie zitterte vor Haß und gottlosem Zorn – Unholde, die heute früh ihren Festtag hatten. Sie wäre längst schon mit ihrem Verehrer und all dem Gelde weggelaufen, wenn ich nicht gewesen wäre. Seit dem Augenblick, da mein armer alter Herr ihr die Heirat verbot mit jenem versoffenen Lumpen –«
»Halt,« wehrte Gilder sehr ernst, »Ihre Familiengeschichten oder Vermutungen gehen uns nichts an. Wenn Sie keine greifbaren Beweise haben, so sind Ihre bloßen Meinungen –«
»O, ich werde Ihnen greifbare Beweise beibringen,« unterbrach Magnus mit seinem kurzen Akzent. »Sie werden mich vorzuladen haben, Herr Inspektor, und ich werde dann die Wahrheit zu sagen haben. Und die Wahrheit ist diese: Einen Augenblick, nachdem der alte Mann blutend aus dem Fenster gestoßen war, lief ich in das Dachzimmer und fand seine Tochter ohnmächtig am Boden, noch mit einem geröteten Dolchmesser in der Hand. Gestatten Sie, daß ich auch dieses der zuständigen Behörde übergebe.« Er entnahm seiner Frackschoßtasche ein rotbeflecktes langes Messer mit Horngriff und überreichte es höflich dem Polizeibeamten. Dann trat er wieder zurück und die Schlitze seiner Augen verschwanden wie bei einem fetten grinsenden Chinesen, nahezu gänzlich aus seinem Gesichte.
Merton fühlte bei diesem Anblicke eine nahezu körperliche Übelkeit in sich aufsteigen und flüsterte Gilder zu: »Sie werden doch sicher Miß Armstrongs Aussage der seinen gegenüberstellen?«
Father Brown erhob und zeigte plötzlich ein so überraschend frisches Gesicht, als sei es soeben erst gewaschen.
»Ja,« sagte er strahlend vor Einfalt, »aber steht Miß Armstrongs Aussage gegen die seine?«
Das Mädchen stieß einen sonderbaren kurzen Schrei aus; alle blickten nach ihr. Ihre Gestalt war steif, wie gelähmt; nur ihr Gesicht, umrahmt von mattbraunem Haare, drückte maßloses Erstaunen aus. Sie stand da, als wäre sie im selben Augenblicke mit einer Wurfschlinge gefangen und gewürgt worden.
»Dieser Mann,« versetzte Gilder ernst, »sagt aus, Sie wurden nach der Mordtat bewußtlos und ein Messer umklammernd aufgefunden.«
»Er sagt die Wahrheit,« antwortete Alice.
Das Nächste, dessen man gewahr wurde, war, daß Patrick Royce mit seinem großen, gebeugten Kopfe in den Kreis trat und die sonderbaren Worte sprach: »Nun, wenn ich mit
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