Prophezeiung der Seraphim
Erklärung an, aber Javier unterbrach sie. »Ich weiß, was ein Herzkristall ist, aber was hat er mit diesem Gerät zu tun?«
Wieder musste Julie den Kopf schütteln. »Wir wissen nur, dass er sehr wichtig zu sein scheint, damit das Gerät funktioniert. Aber sie sind so selten, dass es fast unmöglich ist, einen zu beschaffen.«
Javier zwirbelte seinen Schnurrbart und sagte langsam: »Ich kenne jemanden, der einen solchen Kristall besitzt. Eine alte Freundin von mir .«
Seine Worte entfalteten eine durchschlagende Wirkung: Julie starrte ihn wortlos an, Fédérics Schnitzmesser blieb in der Luft hängen, Nicolas setzte sich endlich auf. Javier grinste in die Runde.
»Sicher kann sie es kaum erwarten, ihn uns zu schenken.« Fédéric fuhr fort, seine Schnitzerei zu bearbeiten.
»Vielleicht wird sie das. Sie ist eine besondere Frau mit besonderen Fähigkeiten, und nicht gut zu sprechen auf die Erneuerer.«
»Ist sie auch eine Seraph?«, fragte Julie.
Javier verneinte. »Sie ist wohl am ehesten das, was man eine Hexe nennen würde. Sie wohnt etwas westlich von hier – mit dem Wagen brauchen wir weniger als zwei Stunden.« Er stand auf, kramte in seiner ledernen Tasche, die er an einen Ast gehängt hatte und kehrte mit einer Landkarte zurück.
Julie riss sie ihm beinahe aus der Hand, und auch die beiden anderen kamen herüber. Seit Paris hatten sie keine Karte gesehen und nur eine ungefähre Vorstellung davon gehabt, wo sie sich befanden. Nun lag im Schein der Flammen ganz Frankreich vor ihnen wie ein Organismus mit zahlreichen Adern, feinen wie dicken, die miteinander verknüpft waren. Und auf der linken Körperseite saß das Herz: Paris.
»Wir sind ungefähr hier.« Javier zeigte auf einen Punkt nördlich von Rennes, und Julie wurde klar, dass sie nur noch etwa zwölf Meilen von St. Malo entfernt waren. Nur eineinhalb Tagesreisen mit dem Wagen! Von dort nach Mont St. Michel war es ungefähr noch einmal ebenso weit.
»Deine Freundin, die Hexe, was würde sie für den Kristall verlangen?«, wollte Nicolas wissen.
Javier zuckte mit den Schultern. »Das müsst ihr sie selbst fragen.«
»Dann brechen wir auf, sobald Ruben eingetroffen ist«, sagte Julie.
»Falls er eintrifft.« Nicolas sah nach oben. »Er wird doch nicht so dumm gewesen sein, Magie zu benutzen?«
»Er hat ja keine Ahnung, dass deine Mutter in der Nähe ist. Ich hoffe wirklich, dass ihm nichts zugestoßen ist.«
»Nicht immer gleich an das Schlimmste denken«, sagte Javier. »Die Kalokardoi haben nicht den besten Orientierungssinn. Wir übernachten hier und spätestens morgen früh wird dein Bruder hier sein.«
Julie nickte, aber was, wenn sich Javier täuschte?
»Ich hätte ihn nicht alleine gehen lassen sollen«, murmelte sie. »Bei seiner Begabung, Ärger anzuziehen.«
»Da fällt mir der berühmte Eierdiebstahl ein«, bemerkte Fédéric.
»Das war noch das Harmloseste!« Julie musste lachen, da brach etwas Großes, Dunkles von oben durch die Baumkronen. Kurz schoss ihr durch den Kopf, wie dumm es gewesen war, ein Feuer zu machen. Statt Ruben den Weg zu weisen, hatte es die Cherubim zu ihnen geführt.
Als die Kreatur vor ihnen stand, erkannte Julie an ihren zerfetzten Flügeln Dazaar. Er griff jedoch nicht an. Ohne den Blick von ihrer kleinen Gruppe abzuwenden, wartete er, bis vier, nein fünf kleinere Cherubim ebenfalls gelandet waren und sich um ihn scharten. Dann stürzten sie nach vorne.
Julie sprang auf und wich zurück, Javier stellte sich vor sie, und einen Augenblick später traten auch Fédéric und Nicolas den Cherubim entgegen. Javier zog seine Messer aus dem Gürtel, drei Klingen zischten durch die Luft und drangen beinahe gleichzeitig in drei Brustkörbe ein. Die getroffenen Cherubim jaulten auf, und dann geschah etwas so Unfassbares, dass Julie blinzeln musste, um es zu glauben: Innerhalb eines Wimpernschlags versteinerten sie. Zwei blieben stehen wie Statuen, einer, der eben im Sprung begriffen gewesen war, krachte zu Boden und zersplitterte. Javiers Goldzähne blitzten, als er den Kopf zurückwarf und lachte. »Und jetzt du!«, rief er Dazaar entgegen, der sich lauernd geduckt hatte.
Julie war noch weiter zurückgewichen und hatte sich in ein Gebüsch gedrückt. Sie zerrte sich das Amulett über den Kopf, steckte es in ihre Rocktasche und versuchte, das blaue Licht in sich zu beschwören, um ihren Freunden zu helfen, doch es gelang ihr einfach nicht, sich zu konzentrieren. Zu groß war der Schock über das jähe
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