Eine Handvoll Worte
Prolog
Bis später x
E llie Haworth erblickt ihre Freunde in der dicht gedrängten Menge und schlängelt sich an die Bar. Sie stellt ihre Tasche an ihre Füße und legt ihr Handy auf den Tisch. Die anderen sind schon ziemlich angeheitert – man merkt es an ihrer Lautstärke, den ausholenden Armbewegungen, dem kreischenden Gelächter und den leeren Flaschen auf dem Tisch.
»Spät dran.« Nicky hält die Armbanduhr hoch und droht Ellie mit dem Zeigefinger. »Und jetzt sag nicht, ›ich musste noch eine Geschichte zu Ende schreiben‹.«
»Interview mit der Frau des betrogenen Abgeordneten. Tut mir leid. Es war für die morgige Ausgabe«, sagt sie, gleitet auf den leeren Sitz und schenkt sich aus einer angebrochenen Flasche ein Glas ein. Sie schiebt ihr Handy über den Tisch. »Na schön. Das Unwort des Abends zur Diskussion: ›später‹.«
»Später?«
»Als Schlusspunkt. Heißt das morgen oder heute noch? Oder ist es nur so eine entsetzliche Vorliebe unter Teenagern, die eigentlich überhaupt nichts zu sagen hat?«
Nicky späht auf das leuchtende Display. »Da steht ›später‹ und ein ›x‹. Das ist wie ›Gute Nacht‹. Ich würde sagen, morgen.«
»Auf jeden Fall morgen«, sagt Corinne. »›Später‹ ist immer morgen.« Sie hält kurz inne. »Es könnte auch übermorgen heißen.«
»Es ist sehr lässig.«
»Lässig?«
»Das könnte man auch dem Postboten hinwerfen.«
»Du würdest deinem Postboten einen Kuss schicken?«
Nicky grinst. »Kann schon sein. Er sieht toll aus.«
Corinne betrachtet die Nachricht. »Ich finde das nicht fair. Es könnte einfach nur heißen, dass er eilig war und woandershin musste.«
»Ja. Zu seiner Frau zum Beispiel.«
Ellie warf Douglas einen warnenden Blick zu.
»Was denn?«, fragt er. »Ich will damit doch nur sagen, meint ihr nicht, ihr seid über den Punkt hinaus, an dem ihr SMS-Sprache dechiffrieren solltet?«
Ellie kippt ihren Wein hinunter und beugt sich dann über den Tisch. »Okay. Ich brauche noch was zu trinken, wenn ich hier belehrt werden soll.«
»Wenn du mit jemandem so vertraut bist, dass du in seinem Büro Sex mit ihm hast, dann denke ich, sollte man ihn doch bitten können, etwas klarzustellen, wenn man ihn vielleicht zum Kaffee trifft.«
»Wie geht es denn in der SMS weiter? Und sag mit jetzt bitte nicht, es geht um Sex in seinem Büro.«
Ellie schaut auf ihr Handy und scrollt die Textnachrichten herunter. »›Kompliziert, von zu Hause anzurufen. Dublin nächste Woche, Planung aber noch nicht sicher. Später x.‹«
»Er hält sich alles offen«, sagt Douglas.
»Es sei denn … verstehst du … er ist sich der genauen Planung nicht sicher.«
»Dann hätte er gesagt ›rufe aus Dublin an‹. Oder auch ›Ich fliege mit dir nach Dublin‹.«
»Nimmt er seine Frau mit?«
»Nie. Das ist eine Geschäftsreise.«
»Vielleicht nimmt er eine andere mit«, murmelt Douglas in sein Bier.
Nicky schüttelt nachdenklich den Kopf. »Mein Gott, war das Leben nicht einfacher, als sie dich anrufen und mit dir sprechen mussten? Dann konnte man wenigstens am Klang ihrer Stimme hören, ob man abgewiesen wurde.«
»Ja«, schnaubt Corinne. »Und du konntest stundenlang zu Hause neben dem Telefon sitzen und darauf warten, dass sie anrufen.«
»Oh, die Abende, die ich so verbracht habe …«
»… das Freizeichen zu prüfen, hat funktioniert …«
»… und dann den Hörer aufknallen, falls das genau der Augenblick war, in dem sie anriefen.«
Ellie hört sie lachen und erkennt die Wahrheit hinter ihrem Humor, aber insgeheim wartet sie darauf, dass das Display plötzlich aufleuchtet, weil jemand anruft. Ein Anruf, der in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der Tatsache, dass es »zu Hause kompliziert« ist, nicht eintreffen wird.
Douglas bringt sie zu Fuß nach Hause. Er ist der Einzige von ihnen vieren, der mit einer Partnerin zusammenlebt, doch Lena, seine Freundin, ist groß im Geschäft bei der Öffentlichkeitsarbeit für Technologie und abends oft bis zehn oder elf im Büro. Lena hat nichts dagegen, wenn er mit seinen alten Freundinnen ausgeht – sie hat ihn ein paar Mal begleitet, aber für sie ist es schwer, die Wand aus alten Witzen und Andeutungen zu durchbrechen, die mit fünfzehn Jahren Freundschaft einhergeht; meistens lässt sie ihn allein kommen.
»Und, was geht denn so bei dir, großer Junge?« Ellie stößt ihn an, als sie einem Einkaufswagen ausweichen, den jemand auf dem Bürgersteig hat stehen lassen. »Du hast da drinnen
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