Quantum
ich.
»Was?« Auf ihrer glatten Stirn erscheint eine Runzel wie ein
Pinselstrich. Wunderschön.
»Ich habe mich gewandelt. Sie haben mich zu spät herausgeholt. Ich
habe mich zum Altruisten entwickelt, Mademoiselle, zu einem Wesen voll guten
Willens und voller Liebe zu seinem Nächsten. Es fiele mir im Traum nicht ein,
mich an irgendwelchen kriminellen Aktivitäten zu beteiligen, nicht einmal auf
Geheiß meiner schönen Retterin.«
Sie sieht mich ausdruckslos an.
»Nun gut.«
»Nun gut?«
»Wenn ich mit dir nichts anfangen kann, muss ich zurückgehen und mir
einen anderen holen. Perhonen , bitte steck den hier
in eine Blase und wirf ihn raus.«
Wir messen uns mit Blicken. Ich fühle mich wie ein Dummkopf. Zu
lange auf der Schiene von Verrat und Kooperation gefahren. Höchste Zeit
abzuspringen. Ich schlage als Erster die Augen nieder.
»Warten Sie«, sage ich langsam. »Wenn ich es mir genau überlege,
sind mir vielleicht doch noch ein paar egoistische Regungen geblieben. Ich
spüre sie allmählich wieder aufsteigen.«
»Das dachte ich mir«, sagt sie. »Du giltst schließlich als
hoffnungsloser Fall.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Das wirst du schon sehen«, sagt sie. »Mein Name ist Mieli. Das ist Perhonen , sie ist mein Schiff.« Sie holt mit einer Hand
weit aus. »Solange du hier bist, sind wir deine Götter.«
»Kuutar und Ilmatar?«, frage ich. Das sind die oortischen
Gottheiten.
»Vielleicht. Oder der schwarze Mann, wenn dir das lieber ist.« Sie
lächelt. Wenn ich an den Ort denke, an den sie mich vorhin versetzt hat, sehe
ich durchaus eine gewisse Ähnlichkeit zum oortischen Gott der Leere. » Perhonen zeigt dir, wo du wohnst.«
Als der Dieb abgezogen ist, legt Mieli sich in die Pilotenwanne.
Sie fühlt sich erschöpft, obwohl der Biot-Feed ihres Körpers – der seit Monaten
bei Perhonen auf sie wartet – sie für vollkommen
ausgeruht erklärt. Aber die kognitive Dissonanz ist noch schlimmer.
War ich das, die im Gefängnis war? Oder jemand
anders?
Sie denkt an die vielen Wochen der Vorbereitung, Tage bei subjektiv
verlangsamter Zeit in einem Q-Anzug, in denen sie sich bereit machte, ein
Verbrechen zu begehen, um von den Archonten ertappt und in das Gefängnis
gebracht zu werden: an die Ewigkeit in ihrer Zelle, eingehüllt in eine alte
Erinnerung. An die Flucht, als sie von der Pellegrini so heftig durch den
Himmel geschleudert wurde, und an das Aufwachen in ihrem neuen Körper, zittrig
und wund.
Alles nur wegen des Diebs.
Und nun ist sie durch eine Quanten-Nabelschnur mit dem Körper
verbunden, den die Pellegrini für ihn geschaffen hat. Das Wissen um seine
Gedanken ist wie ein ständiger dumpfer Schmerz, als läge man neben einem
Fremden und spürte, wie er sich bewegt, sich im Schlaf hin und her wälzt. Das
sieht der Sobornost-Göttin wieder einmal ähnlich, ihr einen Auftrag zu geben,
der sie mit Sicherheit in den Wahnsinn treiben wird.
Er hat Sydäns Edelstein berührt. Der Zorn
hilft ihr – ein wenig. Und nein, es geht nicht nur um ihn,
es geht auch um sie.
»Ich habe den Dieb untergebracht«, sagt Perhonen .
Wenigstens diese warme Stimme in ihrem Kopf gehört nur ihr ,
sie wurde nicht vom Gefängnis besudelt. Sie nimmt einen der winzigen weißen
Avatare des Schiffs und setzt ihn auf ihre Handfläche: Er flattert und kitzelt
wie ein Pulsschlag.
»Liebesgefühle?«, fragt das Schiff scherzhaft.
»Nein«, sagt Mieli. »Ich habe dich nur vermisst.«
»Ich dich auch«, entgegnet das Schiff. Der Schmetterling hebt von
ihrer Hand ab und umflattert ihren Kopf. »Es war schrecklich, ganz allein auf
dich warten zu müssen.«
»Ich weiß«, sagt Mieli. »Es tut mir leid.« Plötzlich ist da ein
Hämmern und Pochen in ihrem Schädel. Eine scharfe Kante in ihrem Bewusstsein,
als wäre etwas ausgeschnitten und eingefügt worden. Bin ich
noch dieselbe wie zuvor? Sie weiß, dass sie ihren Sobornost-Metakortex
nur zu bitten bräuchte, das Gefühl zu lokalisieren, es einzuschließen und zu
entfernen. Aber das würde ein oortischer Krieger niemals tun.
»Du bist krank. Ich hätte dich nicht fortlassen sollen«, sagt Perhonen . »Es hat dir nicht gutgetan, dorthin zu gehen. Sie
hätte das nicht von dir verlangen dürfen.«
»Psst«, mahnt Mieli. »Sie wird dich hören.« Aber es ist schon zu
spät.
Kleines Schiff , sagt die Pellegrini. Du solltest wissen, dass ich gut auf meine Kinder achte – immer.«
Die Pellegrini steht vor Mieli.
Unartiges Kind , sagt sie. Du nützt meine Gaben
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