Quo Vadis
betrachtete ihn Petronius. Vinicius’ Augen waren geschwollen und glänzten fieberhaft. Das Haar war verwirrt, Bartstoppeln bedeckten das Kinn. Er glich in der Tat einem Kranken. Auch Iras und Eunike schauten ihn mitleidig an; er jedoch achtete so wenig wie Petronius auf die Sklavinnen, nicht mehr, als wenn da zwei Hunde wären.
„Es ist Fieber, was dich quält“, sagte Petronius.
„Ja, Fieber.“
„So höre. Ich weiß nicht, was der Arzt dir vorschrieb, aber ich weiß, was ich an deiner Stelle täte. Bis die Verlorene gefunden ist, würde ich bei einer anderen den Genuß suchen, der mir bei Lygia entging. Herrliche Frauenkörper habe ich in deiner Villa gesehen. Widersprich mir nicht. Ich weiß, was Liebe ist, und weiß auch, daß keine die Begehrte ersetzen kann. Doch bei einer schönen Sklavin findet man, für den Augenblick wenigstens, Zerstreuung.“
„Die brauche ich nicht“, erwiderte Vinicius.
Allein Petronius war ihm wirklich zugetan und begann nachzudenken, wie er dessen Schmerz lindern könne.
„Vielleicht besitzen deine Sklavinnen für dich nicht mehr den Reiz der Neuheit“, sprach er nach einiger Zeit, indem er abwechselnd Iras und Eunike prüfend anblickte und endlich die Hand an die Hüfte der goldhaarigen Eunike legte.
„Sieh diese Grazie an, für die vor einigen Tagen Fontejus Capito der Jüngere mir drei wunderschöne Knaben aus Klazomenai anbot. Einen schöneren Leib hat selbst Skopas nicht gemeißelt. Ich begreife kaum, wie ich bis jetzt so gleichgültig an ihr vorbeigehen konnte, obwohl kein Gedanke an Chrysothemis mich fesselte. Wohlan, ich schenke sie dir, sie sei dein.“
Eunike erblaßte plötzlich und schaute atemlos auf Vinicius in Erwartung der Antwort.
Vinicius sprang auf, hielt den Kopf mit beiden Händen und sagte schnell, gleich einem Knaben, der von nichts hören will:
„Nein, nein. Ich will nichts von ihr wissen. Ich danke dir, ich brauche sie nicht. Lygia will ich suchen. Laß mir einen Mantel mit Kapuze bringen. Ich gehe über den Tiber – wenn ich nur wenigstens Ursus fände.“
Damit eilte er von dannen. Petronius hielt ihn nicht zurück. Er erklärte sich die Zurückweisung des Geschenkes als augenblickliche Abneigung gegen alles Weibliche außer Lygia und wollte sein eigenes hochherziges Anerbieten nicht zurücknehmen. Zu Eunike gewendet, sagte er deshalb:
„Du wirst dich baden, salben und anziehen. Dann begibst du dich in Vinicius’ Wohnung.“
Doch sie fiel ihm zu Füßen und flehte ihn händeringend an, sie nicht fortzuschicken. Sie wolle nicht zu Vinicius, sagte sie. Lieber hier Brennholz ins Hypocaustum tragen als dort oberste Dienerin sein. Sie wolle, sie könne nicht fortgehen und bitte um Erbarmen. Er möge sie täglich peitschen lassen, nur nicht fortschicken.
Vor Angst und Erregung zitternd, streckte sie die Arme zu ihm empor, indes er verwundert zuhörte. Ein Sklave, der bat, von der Ausführung eines Befehls verschont zu bleiben, der erklärte: „Ich will nicht und kann nicht“, war in Rom etwas so Unerhörtes, daß Petronius kaum seinen Ohren traute. Seine Brauen zogen sich zusammen. Er war zu verfeinert, um grausam zu sein. Seine Sklaven waren, was Vergnügungen betraf, freier gehalten als andere, doch unter der Bedingung, daß sie ihre Pflicht musterhaft erfüllten und den Willen ihres Gebieters gleich dem eines Gottes achteten. Wenn sie in dieser Hinsicht sich verfehlten, war er fähig, keine Strafe zu sparen, die dem Brauche gemäß zulässig war. Da er überdies keine Widersetzlichkeit, überhaupt nichts, was ihn aus seiner Gemütsruhe brachte, ertragen konnte, betrachtete er einige Zeit das vor ihm kniende Mädchen und sagte endlich:
„Rufe Teiresias und bringe ihn hierher.“
Eunike stand zitternd, mit Tränen in den Augen, auf und entfernte sich, um bald mit dem Aufseher des Atriums, dem Kreter Teiresias, zurückzukommen.
„Nimm Eunike“, befahl Petronius, „und gib ihr fünfundzwanzig Hiebe, doch so, daß die Haut nicht Schaden leidet.“
Nachdem er diesen Befehl erteilt hatte, begab er sich in sein Bücherzimmer, setzte sich an einen Tisch aus rosenrotem Marmor und begann, am „Gastmahl des Trimalchion“ zu arbeiten. Doch Lygias Entkommen und die Erkrankung der kleinen Augusta störten seine Gedanken so sehr, daß er nicht lange zu schreiben vermochte. Er dachte daran, daß, wenn der Cäsar die Krankheit einer Zauberei Lygias zuschriebe, die Verantwortung auf ihn fallen müßte, weil das Mädchen auf sein Ersuchen
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