Rächer des Herzens (German Edition)
Weise, die keinen Raum für Gefühl ließ.
„Trauzeugen?“, sagte Marcus mit deutlicher Ungeduld in seiner Stimme.
Isabellas Mut sank noch mehr. Das war das Einzige, was sie nicht bedacht hatte.
„Ich hatte nicht gedacht …“, begann sie und sah über ihre Schulter. Der Kerkermeister stand mit erwartungsvollem Gesicht hinter ihnen. Er dachte sicher, dass noch ein paar Pfund für ihn dabei herausspringen würden, wenn er als Trauzeuge fungierte und später über den gesamten Vorgang Schweigen bewahrte. Ein verzweifeltes Lachen drohte in ihr hochzukommen. Eine Hochzeit im Fleet-Gefängnis mit einem Kerkermeister als Trauzeugen und einem Priester, der halb betrunken war von dem Weinbrand, den sie ihm als Teil der Bestechung mitgebracht hatte. Konnte eine Hochzeit unter einem ungünstigeren Stern stehen? Isabella schlug die Hand vor den Mund, um das Lachen zu unterdrücken.
Der Kerkermeister rieb die Handflächen an seiner schmutzigen Hose, pfiff nach einem der anderen Wärter und trat auf den Wink des Priesters an die kleine Gruppe heran. Marcus nahm Isabellas Hand. Seine Berührung war unpersönlich, und doch zuckte etwas Unbestimmtes durch ihr Bewusstsein – wie eine Flamme, die den Zunder entfacht. All ihre Aufmerksamkeit richtete sich plötzlich nur auf Marcus. Sie wollte ihm fast ihre Hand entziehen, so stark war ihre Reaktion auf seine Berührung. Sie wusste, dass er ihr Zittern spürte, und kam sich jetzt so verwundbar vor, als ob sie nackt dastünde. Mit einem Schlag fühlte sie sich diesem Mann völlig ausgeliefert, und das war etwas, was sie nicht vorausgesehen hatte.
Die Trauungszeremonie begann. Es schien Isabella, als ob der Vorgang möglichst schnell beendet werden sollte. Eine Trauung im Fleet-Gefängnis war nie eine lange und sehnsuchtsvoll romantische Angelegenheit. Da gab es keine zart ineinander verweilenden Blicke zwischen Braut und Bräutigam, kein verständnisvolles Lächeln des Geistlichen. Stattdessen herrschte gespanntes Schweigen, das nur von den gemurmelten Worten des Geistlichen und den Erwiderungen der Brautleute unterbrochen wurde. Marcus’ Antwort kam entschlossen und sofort, während Isabella ihr Ehegelübde zögernd äußerte. Sie geriet sogar einmal ganz ins Stocken, da sie durch die Erinnerung an ihre erste Eheschließung zwölf Jahre zuvor eingeholt wurde. Marcus schien dies zu spüren und umschloss ihre Hand fester, während er sich Isabella zuwandte. Isabella rechnete mit Ungeduld in seinen Augen, aber als sie ihn ansah, betrachtete er sie mit einer seltsam nachdenklichen Anteilnahme. Sie raffte all ihren Mut zusammen, straffte sich und wiederholte ihr Gelübde mit festerer Stimme.
„Haben Sie den Ring?“, fragte der Priester.
Isabella schüttelte den Kopf. Sie hatte nicht daran gedacht, dass ein Ring nötig sein würde. Da sie überdies ihren gesamten Schmuck verpfändet hatte, um einige ihrer Schulden abzutragen, hätte sie ohnehin keinen mitbringen können. Sie hörte, wie Marcus resigniert seufzte. Aber einen Augenblick später streifte er seinen Siegelring vom Finger und legte ihn auf die aufgeschlagenen Seiten des Psalters. Isabella warf ihm einen gequälten Blick zu.
„Sie können mir doch nicht Ihren Siegelring geben!“, rief sie verzweifelt.
Er zeigte sich jedoch unbeeindruckt. „Dies ist weder die Zeit noch der Ort für eine Diskussion.“
„Aber ich …“
Marcus beachtete sie nicht und wandte sich wieder an den Priester. „Fahren Sie fort.“
Er nahm den Ring und steckte ihn Isabella behutsam an den Finger, so als ob er sie beschützen wollte. Isabella spürte das Schmuckstück warm und schwer an ihrer Hand, es war für sie zu groß. Sie drehte es an ihrem Finger. Der goldene Ring trug eine deutliche Inschrift aus vier miteinander verschlungenen Buchstaben: M…J…E…S… Mit dem Finger zeichnete sie die Linien nach.
Sie hatte das Gefühl, dass es vollkommen falsch und viel zu persönlich war, Marcus’ Siegelring zu nehmen, da sie doch nichts anderes wollte als seinen Namen auf einem Stück Papier.
Der Priester steckte das Book of Common Prayer unter den Ärmel seines schmutzigen Chorgewandes. Er schob Isabella die schon ausgefertigte Heiratsurkunde zu und wartete ungeduldig auf seine Gebühren. Isabellas Finger zitterten, während sie das Dokument sorgfältig zusammenfaltete und dann in ihr Retikül steckte. Das Papier versprach ihr Freiheit. Aber als Marcus nun ihre Hand losließ, fühlte sie sich einsamer und unglücklicher als jemals
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