Ritual - Höhle des Schreckens
Karte ein. »Keine Ursache, Jim.«
Schnell noch ein Blick auf Miss Katzenauge, dann räumte Hazen das Feld. Er hatte auf der ganzen Linie gesiegt.
Drei Uhr – Zeit genug, um auf dem Rückweg kurz in Deeper Station zu machen.
36
Corrie Swanson lenkte ihren Gremlin mit einer Hand im Kriechtempo über die Schotterpiste und hoffte inständig, dass sie mit zwei halbwegs vollen Kaffeebechern ankäme. Die Chancen waren allerdings nicht sonderlich groß. Sie hatte sich die Becher zwischen die Beine geklemmt, das Eis war natürlich längst geschmolzen, und allmählich wurde es auf dem Fahrersitz verdächtig feucht. Kurz darauf sackte der Wagen auch noch in ein tiefes Schlagloch. Corrie schwante Böses, sie hatte schon seit Wochen den Verdacht, dass sich der Auspufftopf gelockert haben könnte.
Endlich tauchten vor ihr die schütteren Bäume auf, unter denen sich die Grabhügel verbargen. Die Nachmittagssonne überschüttete das Gras mit gleißendem Gold – ein zauberhafter Anblick, dem Corrie freilich im Augenblick nicht viel abgewinnen konnte. Sie fuhr so dicht wie möglich an die Hügel heran und machte sich mit den kümmerlichen Überbleibseln ihrer gut gemeinten Bemühungen auf den Weg zu Pendergast. Am Horizont zuckten giftig gelbe Blitze, kein Windhauch regte sich. Und doch schien schon eine Ahnung des herannahenden Unwetters in der Luft zu liegen.
Pendergast saß, den Rücken ihr zugewandt, im Schatten der Bäume und starrte so konzentriert auf das vor ihm liegende Fleckchen Grün, als wolle er es sich für alle Zukunft unvergesslich einprägen.
»Kaffeeservice!«, rief Corrie, merkte aber im selben Moment, dass ihr aufgesetzt fröhlicher Tonfall nicht gut ankam. Die schlanke, in Schwarz gekleidete Gestalt des Agent hatte etwas Unwirkliches, fast Gespenstisches an sich.
Pendergast wandte sich mit einem verhuschten Lächeln langsam zu ihr um. »Sehr freundlich von Ihnen, Miss Swanson, aber ich trinke nur Tee, Kaffee rühre ich nie an.«
»Oh, das wusste ich nicht.« Sie sah ein wenig enttäuscht aus. Da hatte sie sich nun alle Mühe gegeben, ihm eine Überraschung zu bereiten, und jetzt…Na gut, dachte sie seufzend, dann trinke ich eben beide Kaffees. Die Becher waren sowieso nicht mehr ganz voll, das heißt, streng genommen waren sie eher halb leer.
Pendergast hatte Notizen, topografische Karten und Diagramme vor sich ausgebreitet, alles sorgfältig mit Steinen beschwert. Direkt vor ihm lag ein offenbar sehr altes, schon leicht verwittertes Tagebuch, die Eintragungen schienen der ungelenken Schrift nach von einem Kind zu stammen.
»Was machen Sie da?«
»Ich nehme den Genius Loci in mich auf, um mich auf meine Aufgabe vorzubereiten.«
Corrie setzte sich auf einen Felsbrocken und schlürfte Eiskaffee. Er war stark, kalt und schön süß – genau wie sie ihn mochte. Pendergast stand auf, ging ein paar Schritte, blieb stehen und starrte minutenlang gedankenverloren in eine ungewisse Ferne. Hin und wieder zückte er sein Notizbuch und kritzelte irgendetwas hinein. Dann wieder unterbrach er seine scheinbar ziellose Wanderung, kam zurück, beugte sich über die ausgebreiteten Karten und markierte die eine oder andere Stelle mit einem Marker. Einmal stellte ihm Corrie eine Frage, aber er bedeutete ihr mit erhobener Hand, dass er jetzt auf keinen Fall gestört werden wolle.
Eine Dreiviertelstunde verging, am westlichen Horizont ballten sich die Wolken immer dichter, die Sonne war fast ganz von ihnen verschluckt. Corrie verfolgte die Aktivitäten des Agent aufmerksam. Sinn und Zweck blieben ihr zwar ein Rätsel, aber daran war sie inzwischen gewöhnt, und irgendwie faszinierte er sie mit seiner Geheimniskrämerei. Sie wünschte sich sehnlich, ihm – was immer er mit seinem Herumwandern bezweckte – helfen zu dürfen, nicht nur, weil sie sich sonst so überflüssig vorkam, sondern auch, weil sie darauf brannte, ihm ihr Geschick und ihren Eifer zu beweisen. In den letzten Jahren hatte niemand – kein Lehrer, kein Freund und schon gar nicht ihre Mutter – versucht, ihr wenigstens eine Chance zu geben, ihnen zu zeigen, was in ihr steckte. Und nun ließ sie sogar der Mann, den sie insgeheim bewunderte, einfach links liegen! Und ob sie es wahrhaben wollte oder nicht, sie merkte, dass ihr das wehtat – sogar verdammt weh.
Hatte sie sich womöglich in ihn verknallt?
Unsinn! Mein Gott, welches junge Mädchen verknallt sich schon in einen Typen mit so langen Spinnenfingern, weißblondem Haar, kalten, extrem
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