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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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nachvollziehbarer Perversion und lebte ein nirgendwo begründetes Faible für katholische Riten aus.«
    »Das erinnert mich an eine Szene, von der ich kürzlich gehört habe. Menschen liegen an einem Badestrand. Auf einer Luftmatratze draußen auf dem Wasser treibt ein totes Schwein mit aufgeschlitzter Kehle.«
    Zimmermann nickte. »Sie haben sich offenbar schon intensiv mit der Materie befasst.«
    Mit einem Schlag war Albin hellwach. Vielleicht würde dieses Treffen doch noch zu etwas gut sein. »Was wissen Sie über dieses Schwein?«
    »Die Szene stammt aus der Zeit, als Gregoritsch, Mar kovics und ich Freunde waren. Wir haben damals oft über Romane gesprochen und darüber, wie Erfolge gemacht werden. Wir einigten uns auf die Theorie, dass gute Bücher rund um eine einzige starke Idee entstehen. Wir entwickelten die Szene mit dem Schwein. Jeder von uns sollte darum herum einen Roman schreiben. Die Frage, die es zu klären galt, war: Warum treibt dieses Schwein mit der aufgeschlitzten Kehle auf einer Luftmatratze im Wasser?«
    »Sie wollten alle Schriftsteller werden?«
    »Wenn wir zu dritt waren, kam immer irgendwann diese Stimmung auf. Dann erschien es uns jedes Mal ganz einfach, etwas ganz Großes zu schreiben.«
    »Hat jemand von Ihnen tatsächlich damit begonnen?«
    »Ich hatte davor mit dem Gedanken gespielt. Zu dieser Zeit lebte ich schon für die Lager. Ich fand die Idee mit dem Schwein interessant und dachte manchmal in der Straßenbahn ode^ beim Rasieren daran. Das war alles.«
    Albin fragte sich, worüber er selbst ein Buch schreiben würde. Vielleicht über Kaffeehäuser. Da ergab sich die Recherche von selbst. »Und die anderen?«, fragte er.
    »Gregoritsch erzählte mir mehrmals mögliche Handlungsabläufe. Allerdings hatte keiner das gewisse Etwas. Das wusste er selbst. Markovics kam auch nicht weiter. Er rechnete uns dauernd vor, dass am österreichischen Markt ein Buch ab einer Auflage von fünftausend Stück ein absoluter Erfolg ist. Damit hätte er so viel verdient wie in zwei Monaten in der Werbeagentur.«
    Albin nippte an seinem Tee. »Wer von Ihnen dachte sich die Szene mit dem Schwein aus?«
    »Markovics natürlich. Er hatte eine Ader für so etwas.«
    »Könnte er das wirklich erlebt haben?«
    Zimmermann dachte nach. »Wieso sollte ein Schwein mit aufgeschlitzter Kehle auf einer Luftmatratze treiben?«
    »Das ist die Frage.«
    »Gregoritsch kam auf eine mafiose Organisation, die auf diese Art jemanden warnte. Marke toter Hund vor der Tür.«
    »Das würde einen Sinn ergeben.«
    Zimmermann schüttelte den Kopf. »Markovics hat das nicht wirklich erlebt. Etwas hat ihn inspiriert. Vielleicht hat er einen Nachmittag an einem Strand verbracht und Lust bekommen, träge Badegäste zu verstören. Vielleicht trieb draußen im Wasser ein rosafarbenes Nilpferd zum Aufblasen.«
    »Warum ist Ihre Freundschaft mit Gregoritsch und Markovics in die Brüche gegangen?«, fragte Albin und überlegte gleichzeitig, was er über den Bräunerhof in einem Buch über Kaffeehäuser vermerken könnte.
    »Von Gregoritsch trennten mich unsere unterschiedlichen Vorstellungen von den Lagern. Er sieht zwar aus wie Rübezahl, doch im Innersten lebt er in einer bubenhaften Traumwelt. Die wollte er in Form von Ferienlagern nachbauen. Mit Tipis voller Nschotschis und durch die Wälder streifenden Lederstrümpfen. Ich sah alles wirtschaftlicher. Ich wollte aktuelle Themen und mehr Unterhaltung statt nur Lesen. Lesen ist in Ordnung, nur ist damit selten Geld zu machen.«
    »Wer ist N’schotschi?«
    »N’schotschi ist Winnetous Schwester. Zwischen ihr und Old Shatterhand entwickelte sich eine romantische Geschichte. Stellen Sie bloß nicht Gregoritsch so eine Frage. Er würde Sie verachten.«
    Albin nickte. Das passte zu seiner eigenen Vorstellung von dem kratzbürstigen Schwadroneur.
    »Am Höhepunkt der Streitereien hat sich Gregoritsch in seinem Wohnwagen eingebunkert und nur noch schriftlich mit mir kommuniziert, vor allem über die Ideale der Kunst«, fuhr Zimmermann fort. »Jetzt hält er eine Minderheitsbeteiligung an der Firma und lässt mich in Ruhe. Das Unternehmen bietet mittlerweile auch Nachhilfeservice via Internet und solche Dinge an. Es entwickelt sich.«
    Der Bräunerhof, dachte Albin, war so gut wie der Gesprächspartner, mit dem man sich dort traf. Man konnte hier heiter und melancholisch, angeregt und gelangweilt sein.
    Er selbst war jetzt angeregt. »Bei der nächsten Bildungsgeschichte denke ich an Sie«,

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