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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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jedoch seit drei oder vier Jahren mit größerer Festigkeit befolgte; und gerade seit dieser Zeit hatte ich auch bei Therese Erkaltung wahrgenommen; aus Pflichtgefühl hatte sie noch immer die gleiche Anhänglichkeit an mich, aber sie besaß sie nicht mehr aus Liebe. Dies nahm unserm Umgange einen Theil seiner Annehmlichkeit, und ich wähnte, daß sie meiner fortdauernden Fürsorge überall sicher, es vielleicht vorziehen würde, in Paris zu bleiben, anstatt mit mir umherzuirren. Gleichwohl hatte sie bei unsrem Scheiden so viel Schmerz gezeigt, so feste Versprechungen unserer Wiedervereinigung verlangt, sprach sie den Wunsch danach sowohl gegen den Prinzen von Conti wie gegen Herrn von Luxembourg so lebhaft aus, daß ich nicht nur nicht den Muth hatte, mit ihr von Trennung zu reden, sondern nicht einmal den, auch nur selbst daran zu denken; und nachdem ich in meinem Herzen gefühlt hatte, wie sehr es mir unmöglich war, mich ohne sie zu behelfen, dachte ich nur noch daran, sie sofort herbeizurufen. Ich forderte sie deshalb brieflich auf abzureisen, und sie kam. Ich hatte sie vor kaum zwei Monaten verlassen; aber es war seit so vielen Jahren unsere erste Trennung. Wir hatten sie beide bitter empfunden. Welche Ergriffenheit, als wir uns umarmten! Wie süß doch die Thränen der Zärtlichkeit und der Freude sind! Wie mein Herz sich darin badet! Weshalb hat man mir ihrer so wenige entlockt?
    Nach meiner Ankunft in Motiers hatte ich an Lord Keith, Marschall von Schottland und Statthalter von Neufchâtel geschrieben, um ihm meine Flucht in die Staaten Seiner Majestät anzuzeigen und ihn um seinen Schutz zu bitten. Er antwortete mit dem Edelmuthe, den man an ihm kennt und ich von ihm erwartete. Er lud mich ein, ihn zu besuchen. Ich stellte mich ihm in Begleitung des Herrn Martinet vor, des Gerichtsverwalters im Val-de-Travers, der bei Seiner Excellenz sehr in Gnaden stand. Das ehrwürdige Aeußere dieses berühmten und tugendhaften Schotten rührte mein Herz mächtig, und sofort begann zwischen ihm und mir jene lebhafte Zuneigung, die von meiner Seite stets gleich geblieben ist und auch von der seinigen geblieben sein würde, wenn sich nicht die Verräther, die mir jeden Lebenstrost geraubt haben, meine Entfernung zu Nutze gemacht hätten, um sein Alter zu mißbrauchen und mich in seinen Augen in ein übles Licht zu setzen.
    Georg Keith, Erbmarschall von Schottland und Bruder des berühmten General Keith, der glorreich lebte und auf dem Bette der Ehre starb, hatte sein Vaterland schon in seiner Jugend verlassen, weil er aus ihm wegen seines Anschlusses an das Haus Stuart verbannt worden war. Bald jedoch wandte er sich von demselben wieder ab in Folge des ungerechten und tyrannischen Geistes, der sich in jenem Hause bemerkbar machte und beständig dessen vorherrschenden Charakter bildete. Er hielt sich lange in Spanien auf, dessen Klima ihm sehr wohl bekam, und schloß sich endlich eben so wie sein Bruder dem Könige von Preußen an, der sich auf Menschen verstand und sie aufnahm, wie sie es verdienten. Für diese Aufnahme wurde er durch die großen Dienste, die ihm der Marschall Keith leistete, und durch etwas noch weit Kostbareres, nämlich durch die aufrichtige Freundschaft des Lord Marschall reichlich belohnt. Die große Seele dieses würdigen Mannes, der den ganzen republikanischen Stolz besaß, vermochte sich nur unter das Joch der Freundschaft zu beugen, beugte sich aber so vollkommen darunter, daß er bei völlig verschiedenen Grundsätzen von dem Augenblicke an, da er sich Friedrich angeschlossen hatte, ihn nur noch allein sah. Der König beauftragte ihn mit wichtigen Geschäften, schickte ihn nach Paris, nach Spanien und gab ihm endlich, als er ihn in seinem Alter der Ruhe bedürftig sah, als Ruheposten die Statthalterschaft über Neufchâtel mit der dem Herzen wohlthuenden Aufgabe, dort seine letzten Lebenstage damit zuzubringen, dieses kleine Völkchen glücklich zu machen.
    Als die Neufchâteler, die nur Glanz und Flitter lieben und sich auf den wahren, innern Werth nicht verstehen und lange Redensarten für Geist halten, einen kalten Mann sahen, der von Förmlichkeiten nichts wissen wollte, nahmen sie seine Einfachheit für Stolz, seine Offenheit für bäurisches Wesen, seine gedrängte Kürze für Dummheit und verhielten sich gegen seine wohlwollende Fürsorge abwehrend, weil er in dem Streben nützlich zu sein und nicht um die Gunst des Volkes zu buhlen, den Leuten, vor denen er keine Achtung hatte, nicht zu

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