Himmel uber Langani
Prolog
E r war über zwei Stunden gelaufen, und nun ging sein Atem stoßweise und keuchend. Sein Körper war schweißgebadet. Rinnsale liefen ihm an der Brust hinunter über verkrustetes Blut. Sie rannen unter die Perlenbänder an seinen Armen und Handgelenken, die Kupferreifen an den Beinen und den ledernen Lendenschurz, sein einziges Kleidungsstück. Aus dem Busch drangen von allen Seiten Geräusche von Tieren auf der Jagd nach Beute. Durch die afrikanische Nacht hallte das laute heisere Brüllen eines Löwen, der nach seiner Gefährtin rief, und das irre Kichern einer Hyäne. Aus der Ferne ertönte das Stampfen einer Büffelherde, die von ihren Weidegründen zum Fluss trabte. Der Krieger nahm nichts davon wahr. Er hörte nur seinen röchelnden Atem, der heftig ein- und ausströmte, und den Schrei, der immer noch in seinen Ohren klang.
Auf dem Schlachtfeld hätte sich nur einer befinden sollen, ein Mann, der schrie und um Gnade winselte. Aber er war bis zum Schluss stumm geblieben. Nur sein Blick hatte die Verachtung für seinen Henker verraten, bis der Krieger dieses Verdammnisurteil nicht länger ertragen konnte und es mit seinem blutigen Messer für immer auslöschte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass so viel Blut fließen würde oder dass er den schweren, süßlichen Geruch die ganze Zeit über in der Nase haben würde. Sein gesamter Körper schien danach zu stinken, als er davonrannte. Gewiss konnte ihn jedes Raubtier im Busch riechen. So wie die Hyäne mit dem übel riechenden Atem und dem verfilzten, getüpfelten Fell. Angezogen von dem Geruch des Todes und der Aussicht auf Fleisch und Knochen, war sie durch den Busch herangeschlichen.
Er hätte es zulassen sollen, dass die Hyäne die Frau tötete. Mit ihrem Erscheinen hatte er nicht gerechnet. Sie konnte sich nicht wehren. In dem Moment, als er sah, wie sie begriff und ihre Augen sich weiteten, hatte die Hyäne zum Sprung angesetzt. Er hatte seinen Speer geworfen, hatte gesehen, wie die Waffe traf und das Tier stürzte. Dann fiel die Frau zu Boden, und als sie aufschrie, wusste er, was sie gesehen hatte. Auch er konnte es sehen, ganz gleich, in welche Richtung er seinen Kopf drehte. Die Leiche des Manns lag ausgestreckt auf der Erde, Arme und Beine weit gespreizt, die Genitalien abgeschnitten und in den stummen, vor Schmerz aufgerissenen Mund gesteckt, der Bauch aufgeschlitzt, sodass seine Eingeweide auf den Boden quollen, die Augenhöhlen blicklos in der Dunkelheit dem Mond zugewandt. Noch lange Zeit nachdem er von dem Opferplatz geflohen war, sah der Krieger dieses Bild vor sich und hörte das Schreien. Er hatte seinen Speer im Nacken der Hyäne stecken lassen und sich in den umliegenden Busch geschlichen, wobei er seine Spuren auf die Art verwischte, wie sein Volk es tat. Bald schon würden Fährtensucher hinter ihm her sein und von der Hügelkette aus Ausschau nach Zeichen halten, die ihnen verrieten, in welche Richtung er sich gewandt hatte.
Zuerst war er von einer wilden Begeisterung erfüllt gewesen – er hatte sich unbesiegbar gefühlt. Seine Suche war erfolgreich gewesen, er hatte seinen Schwur erfüllt. Er spürte die Wirkung des bhang [1] , des Marihuanas, das er vor dem Ritual zu sich genommen hatte. Noch immer jagte es durch seinen Körper und ließ farbenprächtige, geheimnisvolle Szenen vor seinen Augen entstehen. Er empfand keine Schmerzen, als er die Luft tief in seine glühende Kehle sog. Sie brannte in seinen Lungen, um dann pfeifend und mit schäumendem Speichel vermischt durch seine zusammengepressten Zähne wieder hinauszufahren. Sein Herz pochte heftig und übertönte die Geräusche hinter ihm, die er nur noch als entferntes Summen wahrnahm. Er erreichte dichtes Unterholz und lief an dessen Rand entlang, um dann auf einen felsigen Vorsprung zu klettern, wo seine Verfolger seine Fußspuren verlieren würden. Nun ging er den Weg langsam zurück, wobei er in seine eigenen Fußstapfen trat, bis er zu einem anderen Abschnitt des Buschwerks gelangte. Ohne auf die Dornen zu achten, ging er in die Hocke und schlüpfte in das Dickicht. Die Droge verschaffte ihm einen anderen Blickwinkel, so als befände er sich in großer Höhe und könne sich selbst unter den Büschen kriechen sehen, in wellenförmigen Bewegungen wie eine Schlange, bis er an der anderen Seite des dichten Unterholzes auftauchte. Seine Haut war zerkratzt, und das hervorquellende Blut vermischte sich mit dem Blut seines Opfers, das seinen Körper bedeckte. Er machte
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