Rueckkehr nach Glenmara
Kopf. Dabei wurde sie von oben bis unten nass, denn die Tropfen klatschten von den Zweigen auf ihre Kapuze, als wollten sie applaudieren.
»Wo soll’s hingehen?« Er trug eine Segeltuchjacke, Jeans und nagelneue Sneakers; seine Haut war cognacfarben und von tiefen Falten durchzogen. Sein Gesicht besaß eine natürliche Offenheit, der sie zu Hause nur selten begegnet war.
»Irgendwohin, wo’s trocken ist«, antwortete sie mit müdem Lächeln und senkte den Blick ein wenig.
»Hinter den Büschen werden Sie da wohl kaum Erfolg haben – auch wenn die Blätter Ihnen gut zu Gesicht stehen.«
Kate ließ die Finger über eine Geißblattranke gleiten. »Der Pflanzenlook ist diese Saison in.« Sie spürte, wie sie rot wurde.
»Tatsächlich? Da bekommt das irische Grün doch gleich eine ganz neue Bedeutung.« Er schnippte das Wasser von seiner Hutkrempe. »Wollen Sie mitfahren?«
Sie wischte Flechten von ihrer Jacke, um Zeit zu gewinnen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte. Außerdem musste sie sich vergegenwärtigen, in welcher Lage sie sich befand: Hier gab es nur die Straße, die Schafe und den Regen – und diesen Mann, der ihr möglicherweise eine angenehme Alternative bot. Es war Zeit, ein Risiko einzugehen.
»Bei dem Wetter können Sie jedenfalls nicht mehr lange draußen bleiben«, fuhr er fort. »Sonst holen Sie sich den Tod.«
Kate stellte sich vor, wie die tragische Heldin eines viktorianischen Romans ihr Leben auszuhauchen. Sie streckte die Hand aus, fing darin Regentropfen auf und drehte sie um, so dass sie auf den Boden fielen.
»Dann kommen Sie mal rauf hier.« Er klopfte auf den Sitz neben sich. »Ich kann Gesellschaft brauchen.«
BILD ZWEI
William der Reisende
I n all den Jahren seines Umherziehens hatte William der Reisende noch nie ein so wehmütiges Gesicht gesehen, in dem sich Hoffnung und Traurigkeit mischten. Ihre Haut war fein wie Porzellan, und ihre leuchtenden Augen verrieten jede Gefühlsregung, egal, ob nachdenklich oder fröhlich. Ihre kastanienbraun schimmernden Haare wellten sich in der feuchten Luft. Die Kapuze hatte sie nach vorn gezogen, als wollte sie sich die Elemente und den Rest der Welt vom Leib halten, doch einige Strähnen lugten hervor und rankten sich um ihre Wangen. Viel hatte sie in letzter Zeit wohl nicht gegessen, denn unter ihrer hellen Haut zeichneten sich die Knochen ab. Sie wirkte zerbrechlich, schien aber auch Kraft zu besitzen und Spaß zu verstehen. Zum Schutz gegen die Kälte breitete er eine karierte Decke über ihre Knie und eine zweite über ihre Schultern. Es würde eine Weile dauern, bis sie sich aufgewärmt hätte. Noch klapperte sie mit den Zähnen. Er fragte sich, wie lange sie bei dem Wetter schon unterwegs war und ob sie ein Ziel hatte. Sie gab sich selbstsicher, doch das Zittern ihrer Hände war bestimmt nicht nur auf die Kälte zurückzuführen. Er bot ihr eine Damaszenerpflaume an, die er in Galway erworben hatte.
Sie bedankte sich und biss hinein; der Saft rann ihr das Kinn hinunter. Sie wischte ihn mit dem Handrücken weg. An ihrem Finger zeugte nur noch eine schmale weiße Linie von dem Ring, der einmal daran gesteckt hatte.
Sie reiste mit leichtem Gepäck, Rucksack und Schlafsack. William sah ihr an, dass andere Dinge sie belasteten, ohne sie vollends niederzudrücken. Sie war eine Kämpfernatur. Das erkannte er an dem staunenden Blick ihrer leuchtend grünen Augen, mit denen sie ihre Umgebung betrachtete.
»Wo kommen Sie her?«, erkundigte sich der Reisende.
Kate sagte es ihm.
»Mein Neffe ist mal in Seattle gewesen. Er war ganz verrückt nach der dortigen Musikszene. Ich persönlich kann nicht allzu viel anfangen mit dem neuen Zeug, aber ein ordentliches craic mit Flöten, Dudelsack und Fiedeln mag ich. Waren Sie schon mal bei einem?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Sie haben’s wohl nicht so mit Menschenmassen, was? Geht mir genauso«, sagte er. »Aber craics sind was anderes. Die Musik bringt die Leute zusammen; da bleibt keiner lange außen vor.«
»Ja, die Musik.« Die irischen Klänge mit ihrer Mischung aus Freude, Schmerz und Hoffnung ließen tief in ihrem Innern eine Saite erklingen und rührten sie zu Tränen, das hatte sie bei dem Straßenmusikanten vor der Bushaltestelle gemerkt.
»Sie verstehen also, was ich meine.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich und wischte sich die
Tränen mit dem Ärmel ab. Die Müdigkeit machte sie verletzlich.
»Keine Ursache. Es ist eine Gabe, so intensiv zu
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