Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
mehr ihr Leben. Was sie von mir zu befürchten haben, das sind einige derbe Ohrfeigen, die ich ihnen dafür geben werde, daß sie es wagen, mir wieder und immer wieder wie Ungeziefer über den Weg zu laufen. Dann werden sie sich wohl fern von mir halten. Jetzt aber haben wir keine Zeit, von diesen Knirpsen zu sprechen. Da schau einmal, wie gut wir es getroffen haben!«
Er deutete nach dem Innern des Thales, wo beim Scheine der Feuer alle dort befindlichen Personen leidlich zu erkennen waren.
»Schau da nach links hinüber! Kennst du ihn?« fuhr er fort.
»Der Vater Jaguar!«
»Ja. Wenn ich diesem Hunde eine Kugel geben könnte!«
Er hob sein Gewehr empor, als ob er es anlegen wolle. Der andre fiel ihm in den Arm und warnte heftig:
»Schieße nicht, schieße nicht; du würdest uns verraten!«
Der Gambusino ließ das Gewehr wieder sinken und antwortete:
»Hattest du wirklich Angst, daß ich schießen würde? Fällt mir nicht ein! Meine Kugel würde ihn nicht einmal erreichen, und wir müßten augenblicklich fliehen, während wir uns doch zwei Pferde holen wollen. Sie laufen ja in Masse hier herum.«
Dieses letztere war allerdings richtig. Wie bereits erwähnt hatten die Cambas ihre Pferde unter der Aufsicht einiger Männer am Bache draußen vor dem Thale gelassen. Jetzt war es da draußen dunkel, und da der Kampf vorüber war, hatte man die Pferde in das Thal gelassen, wo sie sich nach allen Richtungen frei herumtrieben. Der Vater Jaguar hatte das gestattet, weil er überzeugt war, daß vorn am Eingange ein Doppelposten stehe. Hätte er geahnt, wer an Stelle desselben jetzt dort anwesend war!
Während die beiden Lauscher ihre Augen auf die Pferde richteten, welche in ihrer Nähe weideten, meinte Antonio Perillo:
»Wir haben doch schießen hören, und doch hat es allen Anschein, als ob gar kein Kampf stattgefunden habe.«
»Wieso? Es ist sogar ein furchtbares Feuer gewesen, welches man auf die Abipones eröffnet hat. Siehst du denn nicht die Menge von Leichen, welche dort am See liegen?«
»Aber wo sind die andern Abipones hin?«
»Entflohen natürlich.«
»Unmöglich! Der Vater Jaguar hatte doch da draußen einen Hinterhalt gestellt, welcher wohl an die hundert Mann zählte. Es gelang uns nur mit Not, diesen Leuten zu entgehen. Sie haben den Eingang besetzt. Wie konnten da die Abipones entkommen?«
»Hm! Was du da vorbringst, hat guten Grund. Sollten sie wirklich alle aufgerieben worden sein? Dann müßte man doch viel mehr Leichen sehen.«
»Man wird sie in das Wasser geworfen haben.«
»Denke das ja nicht! Es wird den Cambas nicht im Traume einfallen, sich dadurch dieses kostbare Wasser zu verderben, denn – – –«
Er hielt inne, beschattete seine Augen mit der Hand, blickte scharf nach einem der Feuer und fuhr dann in heftigem Tone fort:
»Demonio! Ich habe mir bis jetzt noch keine Mühe gegeben, die Gesichtszüge zu erkennen. Jetzt aber sehe ich, daß Abipones mit den Cambas zusammen an den Feuern sitzen.«
»Ist das möglich?«
»Nicht möglich, sondern wirklich. Sieh nur scharf hin.«
Antonio Perillo überzeugte sich, daß der Gambusino recht hatte, und fragte:
»Wie kann so etwas geschehen? Man sollte es nicht glauben!«
»Es ist leicht zu begreifen. Die Abipones waren umzingelt. Sie hätten selbst den letzten Mann verloren. Um ihr Leben zu retten, haben sie um Gnade flehen müssen.«
»Gnade? Das sieht keinesweges so aus. Sie sind ja nicht gefesselt; sie essen mit und bewegen sich wie freie Leute.«
»Tempesta! Das ist wahr! Daran ist dieser Schurke, der Vater Jaguar, schuld. Er hat Frieden zwischen den Abipones und den Cambas geschlossen.«
»Den aber die Abipones jedenfalls teuer bezahlen müssen!«
»Glaube dies ja nicht! Dieser Mensch ist klug. Durch eine schwere Kontribution würde er die Rachgier erwecken und die Feindschaft vergrößern. Ich wette, daß den Abipones alles geschenkt und vergeben worden ist. Man wird ihnen gesagt haben, daß sie durch ihre Verluste hart genug gestraft worden seien.«
»Eine solche Milde kann ich mir nicht als möglich denken.«
»Aber ich, da ich die Schlauheit dieses Vater Jaguar kenne. Er will dadurch die Todfeinde zu Verbündeten machen, und ich glaube es nicht nur, sondern ich sehe es hier mit diesen meinen eigenen Augen, daß ihm dies gelungen ist. Die Abipones sind gewonnen und werden als Freunde behandelt. Wir können von heute an nicht mehr im Trüben fischen. Mit dem geplanten Pronunciamiento ist’s vorüber, und es ist nur gut,
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