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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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mit diesem Märchen getäuscht, ich würde sie nicht nur mit scheltenden Worten fortschicken; und auch dich schützt nur dein Alter; aber auf der Stelle geh mir hinunter in den Saal.«
    »Tochter, zürne nicht«, entgegnete die Schaffnerin«, der Fremdling ist's, der Bettler, dessen alle im Saale spotteten. Dein Sohn Telemach wußte es längst, aber er sollte das Geheimnis verbergen, bis Rache an den Freiern genommen war.«
    Als sie solches hörte, sprang die Fürstin vom Lager und schmiegte sich an die Alte, und unter einem Strome von Tränen sprach sie: »Mütterchen, wenn du wirklich die Wahrheit redest, wenn Odysseus wirklich im Palast ist: sage mir, wie bewältigte er die Freier, die zahllos versammelten?« »Ich selber habe es weder gesehen noch gehört«, antwortete Eurykleia, »denn wir Frauen saßen voll Angst in den festverschlossenen Gemächern; aber das Ächzen hörte ich wohl; und als mich endlich dein Sohn herbeirief, da fand ich deinen Gemahl dastehen, von Leichen umringt; denn die Freier alle lagen auf dem Boden übereinandergestreckt.
    So blutig er anzuschauen war, er hätte dir doch gefallen, Tochter; jetzt aber liegen die Leichname alle weit draußen vor der Hofpforte; das ganze Haus ist von mir mit reinigendem Schwefel durchräuchert worden: du kannst ohne alles Grauen hinabsteigen.« »Alte, ich kann es immer noch nicht glauben«, sprach Penelope,
    »es ist ein Unsterblicher, der die Freier erschlagen hat. Aber Odysseus – ach nein, der ist ferne, der ist nicht mehr am Leben!« »Ungläubiges Herz«, entgegnete kopfschüttelnd die Schaffnerin, »so will ich dir noch ein untrüglicheres Zeichen angeben. Du kennst ja die Narbe, die von des Ebers Zahne herrührt; damals nun, als ich auf deinen Befehl dem Bettler die Füße wusch, da erkannte ich sie und wollte dir's auf der Stelle verkündigen, aber er schnürte mir die Gurgel zu und litt es nicht.« »So laß uns denn hinabgehen«, sagte Penelope, vor Furcht und Hoffnung zitternd; und so stiegen sie beide miteinander hinab in den Saal und schritten über die Schwelle. Hier setzte sich Penelope, ohne ein Wort zu reden, im Glanze des Herdfeuers dem Odysseus gegenüber. Er selbst saß an der Säule mit gesenkten Augen und wartete auf ihr Wort. Aber Staunen und Zweifel machte die Königin stumm: bald glaubte sie sein Angesicht zu erkennen, bald deuchte es ihr wieder fremd, und ihre Augen ruhten nur auf den Lumpen des Bettlers. Endlich trat Telemach zur Mutter und sprach halb lächelnd, halb scheltend: »Böse Mutter, wie kannst du so unempfindlich bleiben?
    Setze dich doch zum Vater, forsche, frage! Welches andere Weib, wenn ihr Gatte nach so viel Jammer im zwanzigsten Jahre heimkehrt, würde sich so gebärden! Hast du denn allein statt des Herzens einen Stein im Busen?«
    »Ach lieber Sohn«, erwiderte Penelope, »ich bin in Staunen verloren; ich kann ihn nicht anreden, ich kann ihn nicht fragen, ich kann ihm nicht gerade ins Angesicht schauen! Und doch ist er es wirklich, er ist's mein Odysseus, er ist zurückgekommen in sein Haus! Doch werden wir einander schon erkennen, und viel sicherer, denn wir haben geheime Zeichen, die niemand sonst bekannt sind.« Da wandte sich Odysseus mit sanftem Lächeln an seinen Sohn und sprach: »Laß die Mutter immerhin mich versuchen; sie verachtet mich, weil ich in so gar häßliche Lumpen gehüllt bin. Nun, wir wollen sehen, wie wir sie überzeugen. Jetzt aber tut anderes not. Wer auch nur einen einzigen Mann aus dem Volke getötet hat, der flieht Haus und Heimat, auch wenn jener nur wenige Rächer hinterläßt. Wir aber haben die Stützen des Landes, die edelsten 332
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Jünglinge der Insel und der Nachbarschaft erschlagen, was tun wir?« »Vater«, sagte Telemach, »da mußt du allein sorgen. Du giltst in aller Welt für den klügsten Ratgeber.« »So will ich euch denn sagen«, erwiderte Odysseus, »was ich für das Klügste halte: Du, die Hirten, alles, was im Hause ist, ihr nehmet vor allen Dingen ein Bad und schmücket euch aufs allerbeste; auch die Mägde kleiden sich in ihre besten Gewande; der Sänger aber nimmt die Harfe zur Hand und spielt uns allen einen Reihentanz auf. Wer dann über die Straße geht, wer in der Nähe wohnt, meint nicht anders, als das Fest dauere noch fort im Hause; und so verbreitet sich wohl das Gerücht von der Ermordung der Freier nicht eher in der Stadt, als bis wir unsere Besitzungen auf dem Lande erreicht haben; dann wird uns

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