Saubere Verhältnisse
Glas Ingwerbirnen in der Tasche verlassen hatte. Sie hatte endlich eingewilligt, etwas von Helenas Eingemachtem anzunehmen. Jetzt stand das Glas an ihrem Küchenfenster, und wenn sie es ansah, kamen ihr die aufgeweichten, ausgehöhlten Früchte vor wie Leichenteile in Formalin. Das Werk einer Mörderin.
Der nächste Montag war ihr letzter Arbeitstag vor den Weihnachtsferien bei Bernhard Ekberg. Sie hatte den Weihnachtsputz beendet, den sie zwei Wochen zuvor begonnen hatte. Bernhard hatte erzählt, daß Helena immer einen gründlichen altmodischen Weihnachtsputz gemacht hatte, dabei wurden alle Schränke und Türen abgewischt, die Fenster geputzt und Vorhänge gewaschen, die Kacheln im Bad geschrubbt und alle Polstermöbel sorgfältig abgesaugt. Er hatte angedeutet, daß er das auch von Nora erwartete.
Es war eine anstrengende Arbeit, und da Yvonne Angst vor Leitern hatte, war das Fensterputzen sehr lästig, es waren insgesamt elf Fenster, darunter das Schlafzimmerfenster mit den kleinen, bleiverglasten Scheiben. Als sie erheblich später als sonst nach Hause gekommen war, hatte sie sich einfach hingelegt und einen Mittagsschlaf gehalten, völlig erschöpft. Jörgen hatte sie so schlafend und mit den Nora-Brick-Kleidern gefunden, sie vorsichtig geweckt und gefragt, ob es ihr nicht gutgehe. Als sie dann den Staubsauger herausgeholt hatte und die Diele, die voller Sand und Kies war, saugen wollte, hatte er ihr den Staubsaugergriff aus der Hand genommen.
»Ich mache das. Du siehst ja total fertig aus. Hast du viel um die Ohren?«
Sie nickte.
»Ich finde, wir sollten eine Putzfrau nehmen. Es ist doch Wahnsinn, daß du dich mit so etwas abschaffst.« Er nickte Richtung Staubsauger. »Und ich bin zu selten zu Hause. Nein, widersprich mir nicht. Warum sollten wir keine Putzfrau haben? Wir arbeiten so viel. Haben wir das nicht verdient? Es ist doch besser, wir verwenden unsere Energie für das, was wir gut können, anstatt fürs Staubsaugen, das kann auch jemand anderes machen. Ich werde mich auf der Arbeit umhören, ob sie da jemanden kennen.«
Yvonne hatte eingewandt, daß sie absolut keinen fremden Menschen in der Wohnung haben wolle, aber sie war in dem Moment so müde gewesen, daß sie ihren Worten nicht den nötigen Nachdruck verleihen konnte.
Weihnachten feierten sie ganz ruhig, nur sie, Jörgen und Simon. Am ersten Feiertag waren sie bei Jörgens Eltern eingeladen, und am zweiten kam Jörgens Schwester mit Familie zu Besuch.
Jörgens Weihnachtsgeschenk für Yvonne war ein unanständiges Korsett mit Strapsen, das er in einer luxuriösen Boutique in London gekauft hatte. Als Simon mit seinem Berg von Geschenken neben dem Bett eingeschlafen war, schenkten sie sich einen Whisky ein, saßen auf dem Sofa und schmusten ein wenig, dann gingen sie ins Schlafzimmer und weihten Yvonnes Weihnachtsgeschenk ein. Es brauchte eine Menge Whisky, bis Yvonne das richtige Gefühl fand, und mitten im schwitzigen Kopulieren dachte sie: Das brauchen wir also, um den Mann und die Frau in uns zu finden – unanständige Kleider und enthemmenden Alkohol. Und welcher Teil von uns begegnet sich hier, ist es nicht der banalste, der primitivste Teil unserer Persönlichkeit, das rein Sexuelle? Er hätte irgendein Mann sein können und ich irgendeine Frau. Es handelt sich doch nur um ein paar männliche und weibliche Geschlechtshormone in einem Reagenzglas, intimer ist es nicht. Hinterher verspürte sie immerhin eine schwere, dumpfe sexuelle Befriedigung, wie nach einer sehr proteinreichen Mahlzeit und fiel sofort in einen traumlosen Schlaf. Als sie am nächsten Vormittag aufwachte, hatte sie einen Kater und betrachtete angeekelt das rote, glänzende Korsett, das ihr am Körper klebte. Sie duschte lange, und machte sich dann für das Weihnachtsessen bei den Schwiegereltern zurecht.
Zwischen den Jahren gingen sie zu dritt ins Kino und redeten danach über einem Hamburger bei McDonalds über den Film. Alle drei hatte ihn irgendwie gut gefunden, es war eine ausgezeichnete Wahl gewesen.
An Silvester war Yvonne zu Cillas und Bennys Hochzeit eingeladen, es war ein fröhliches Fest, sie feierten im Vereinslokal der Kleingartenanlage, in der Benny ein Häuschen hatte. Der innerste Kreis von »Deine Zeit« war eingeladen, außerdem Bennys Lastwagenkumpels, Cillas fünfundzwanzigjährige Jura studierende Tochter und Bennys etwa dreißigjähriger Sohn, über dessen eventuellen Beruf Yvonne nichts erfuhr.
»Das ist doch nicht nur so ein neues Ding?«
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